1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
ein zerbrechlicher Kahn an dem Gestade, mit dem die Leute von
drüben das frisch gemähte Gras holen, um es in der Nähe ihres Hoses
auszustreuen und zu trocknen. An solchen Seen ist es still und einsam.
Zuweilen schaukelt sich eine Möwe über der Flut, ein Specht hackt an der
Rinde eines Baumes, ein Eichhörnchen springt von Zweig zu Zweig,
vielleicht zieht auch ein Habicht vorüber und nötigt die trägen Wildenten
zu schwerfälligem Fluge. Ich habe daselbst vergebens auf den Gesang
der Vögel, das heitere Spiel der schreienden Schwalben gewartet, die
Natur ist hier schweigsam, selbst das geschwätzige Murmeln der Quellen
fehlt oder verklingt ungehört in der unermeßlichen Waldwüste.
In diese stille, starre, scheinbar unbezwingliche Natur ist nun der
Mensch getreten und hat sich ein Heim geschaffen. Zuerst hat er sich da
angesiedelt, wo der Wald weite Ebenen bedeckte, wo dieser ein lunä,
kein skog war: bei Upsala, aus den reichen Fluren Ost- und Westgot-
lands. Aber er hat sich auch mitten in dem unheimlichen skog nieder-
gelassen und als Pionier der Kultur den Unhold angegriffen. Der
Boden an sich, der in Kulturländern so hohe Preise erzielt, hat in einem
solchen 8kog anfangs keinen Wert; er erhält ihn erst, wenn der Mensch
durch seine Arbeit ihn schafft. Noch jetzt lassen sich Hunderte von
Ansiedlern in den einsamen Wäldern nieder, erbauen eine Hütte und
dringen von diesem Zentrum nach der Peripherie vor, den Wald schritt-
weise bezwingend, ihn rodend und der Kultur öffnend.
Man denke in betreff der Schwierigkeit hierbei nicht an amerikanische
Ansiedler. In der Neuen Welt gilt es nur, die Vegetation, den Baum-
wald zu bezwingen; in Schweden ist das Wegräumen der Bäume ein
leichtes — die Art fällt sie, oder das Feuer verzehrt sie; auch die dichte
Pflanzendecke, der Filz, der den Felsboden einhüllt, wird durch
Feuer unschwer entfernt, der Ansiedler sticht mit dem Spaten die
Pflanzendecke ab, läßt die Stücke trocknen, häuft sie aufeinander und
zündet sie an. So verzehrt das Feuer das hindernde unfruchtbare
Pflanzenwerk und läßt es in Asche zerfallen, die wiederum den Boden
düngt. Dieses Verfahren heißt svedja, schwenden. Ist der Mensch
so weit gekommen, dann erst beginnt die schwerste Arbeit für ihn: er
hat den Felswald auszuroden. Hier genügt nicht mehr Spaten und Art
allein; Sprengungen durch Pulver sind erforderlich und unsägliche, jahre-
lange Arbeit, bis endlich das Getrümmer entfernt, der Boden gereinigt
und eine Ackerkrume geschaffen ist, in welche die Saat gestreut werden
kann. Oft hat es den Ansiedler verdrossen, den durch Feuer zerstörten