1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
den Anbau des Feldes mit. Um mehr Volk zu sammeln, eröffneten
Romulus und Remus eine Freistätte für Flüchtlinge aus der Gegend
umher, da denn verschuldete Leute oder solche, die wegen einer
Übeltat die Fleimat verlassen hatten, und Sklaven, die ihren Herren
entliefen, sich bei ihnen zusammenfanden. Aber die Brüder waren
uneinig über den Platz, den die Stadt einnehmen sollte; Romulus
wollte den palatinischen Berg, an dessen Fuße er mit Remus aus
dem Wasser gezogen worden war, und dieser den aventinischen,
der um ein ziemliches weiter abwärts am Flusse lag. Endlich brachten
sie ihren Streit vor Numitor, und dieser riet, den Willen der Götter
durch Beobachtung des Vogelflugs zu erforschen; derjenige von
ihnen, für den die Götter durch den Vogelflug ein günstiges Zeichen
gewährten, sollte das Recht haben, den Platz für die Stadt zu
bestimmen. So brachten sie denn, von Alba zurückgekehrt, feierliche
Opfer und setzten sich, jeder auf seinem Berge, nieder, um das
Zeichen des göttlichen Willens zu erwarten. Remus sah zuerst
sechs Geier, die von der rechten Seite herflogen; aber als er freude-
voll über seinen Sieg nach dem palatinischen Berge kam, schwebten
über diesem und ebenfalls von rechts her zwölf Geier in den Lüften.
Hierüber entzündete sich der Streit von neuem; der eine wollte
darum gesiegt haben, weil ihm zuerst, der andere darum, weil ihm
die Geier in größerer Anzahl erschienen waren. Vom Zanke kam
es zur Gewalt; die Anhänger der beiden Brüder griffen zu den
Waffen; in dem Kampfe wurde Remus getötet.
Romulus hatte aus Etrurien etliche Männer entboten, die ihn
bei der Anlegung der Stadt mit ihrer Kenntnis der heiligen Gebräuche
unterstützen sollten. Man brachte Opfer dar und zündete Feuer vor
den Hütten an, in denen das Volk für jetzt noch wohnte, und alle
sprangen über das Feuer hinüber, zur Sühne für jedwede Unreinigkeit
der neuen Stadtbewohner. In der Mitte des zur Stadt bestimmten
Platzes war eine runde Grube aufgegraben; in diese warf man
Erstlingsfrüchte und eine Hand voll Erde von dem Orte, den jeder
bis dahin bewohnt hatte. Romulus spannte hierauf einen Stier und
eine Kuh vor den Pflug und begann mit dem Pfluge eine Furche
im Vierecke um den Platz der künftigen Stadt zu ziehen, wobei er
die Pflugsterze schief hielt, so daß die Schollen alle nach der innern
Seite geworfen wurden; und wenn sich eine nach außen hin legte,
schoben seine Begleiter diese einwärts. Die Furche stellte den
Graben, die Reihe der Schollen aber die Mauern der Stadt vor.