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1. (Sechstes und siebentes Schuljahr) - S. 371

1914 - Frankfurt am Main : Diesterweg
371 bloß auflauert und sie etwa von den Sulzen wegschießt, sondern wo er das weidende Tier aus höchst schwierigen Wegen umgeht, oder wo er es förmlich jagt und verfolgt. In gewissen steilen Gebirgen ist ein solcher Gang immer ein Gang auf der schmalen Grenze zwischen Tod und Leben. Ein augenblickliches Niedersehen in die Tiefe vom schmalen Felsengesimse, ein fallender Stein, ein loses Strauchwerk, an das der Kletternde sich hält, alles wird zur Todesursache, und nur die unbedingteste Geistesgegenwart rettet vielleicht noch den Bedrohten. Oft aber verleitet das hitzig verfolgte Wild den Jäger zu Unbesonnenheiten und lockt ihn auf Felsen hinauf, wo er nicht mehr vorwärts noch rückwärts kann. 3. Außer diesen Mühsalen bietet dem Eemsenjäger die Beschaffenheit seines Jagdreviers unter Umständen noch zahllose andere, so daß der oft ausgesprochene Satz: ,,Es sterben mehr Gemsenjäger gewaltsam im Gebirge als eines natürlichen Todes im Bette" — nur zu wahr ist. Bald überrascht den müden Weidmann ein bitterer Frost und faßt lähmend seine erschlafften Glieder. Folgt er einer ihn fast überwältigenden Neigung zum Niedersitzen, so schläft er alsbald ein, — um nicht wieder aufzuwachen. Bald schlägt ihn herabrollendes morsches Gestein, das der Sturm, der Tau oder die kletternde Gemse abgelöst hat, in den Abgrund oder verwundet ihn, oder er hört von fern über sich den rauschenden Gang der Lawine, und ehe er sich umgesehen und hart an den Felsen gedrückt hat, hüllt ihn die Bergfee donnernd in ihren flatternden Schneemantel und begrübt ihn vielleicht eine Stunde tiefer mit zerschmetterten Gliedern im Talkessel. Vielleicht der gefährlichste Feind ist aber der Nebel, wenn er den Jäger viele Stunden hoch über den letzten Wohnungen der Menschen in dem grauenvollen Labyrinth der zerrissenen Felsenfirste überrascht. Er fällt dann oft so dicht ein, daß der verlorene Mann nicht sechs Fuß weit vor sich sieht, und nur die größte Kaltblütigkeit, genaue Kenntnis des Terrains und ausdauernde Körperkraft retten ihn, daß er nicht in eine Gletscherspalte fällt, über eine Felsengalerie stürzt oder auf den feuchten Steinplatten ausgleitet, besonders da dem Nebel oft ein dichtes Schneegestöber mit Sturm folgt, das die Sicherheit des Pfades nicht mehr berechnen läßt. Der eigentliche Jagdgewinn steht heutzutage in keinem Verhältnis mehr zu all den Gefahren, Mühen und der verlorenen Zeit, die feine Erlangung fordert, und doch sind die Jäger so leidenschaftlich aus die 24*
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