1911 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Heinemann, Karl, Weber, Hugo, Sandt, Hermann, Krüger, M., Jütting, Wübbe Ulrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
10
du gehst jetzt auch nicht zum Starmatz, um bei ihm das Pfeifen
und Marschieren zu lernen, sondern begibst dich gleich zur Amsel
und lernst das Singen, Fliegen und Nestbauen."
„O Mutter!" rief das Gänschen, „wohin denkst du und was
fällt dir ein? Soll ich schon zur Amsel gehen und das Nisten
lernen und bin noch so jung und so klein! Laß mich doch erst
etwas älter und größer werden, so will ich gerne zur Amsel gehen;
zunächst muß ich doch wissen, wie es die Gänse machen."
„Die Gänse machen gigack, marschieren tripp — trapp, fliegen
schlipp — schlapp und bauen ihre Nester mit den Plattfüßen ins
Stroh; sieh so!"
Und das Gänschen rief gigack, marschierte tripp — trapp,
flog schlipp — schlapp und scharrte mit den Plattfüßen ein
Nestchen ins Stroh: so! Und als es dieses alles so kunstgerecht
vollbracht hatte, wie es eine Gans nur zuwege bringen kann, da
lachte seine Mutter wieder und sagte: „Ich denke, Töchrerchen,
du gehst nun auch nicht zur Amsel in die Schule, um das Singen,
Fliegen und Nisten zu lernen, sondern machst dich gleich auf zur
Frau Nachtigall und lernst von ihr alles so schön und so fein,
wie sie es selber kann."
4.
Damit war das Gänschen ganz einverstanden. Die Frau
Nachtigall aber wohnte drüben über dem Rheine; darum spannte
jetzt das Gänschen die Flügel aus und flog schlipp — schlapp
über den Rhein und suchte die Frau Nachtigall auf. Und als
es sie glücklich gefunden hatte, so bat es recht schön, es alles zu
lehren, was die Frau Nachtigall wohl selber könne.
Das Gänschen gefiel der Frau Nachtigall wohl, und darum
sagte sie zu ihm: „Weil du schon so groß und stark bist, so
kannst du gewiß auch schon vieles; laß einmal hören, wie du
singen kannst."
„Gigack!" schrie das Gänschen.
„Wie marschierst du?"
Tripp — trapp — marschierte das Gänschen.