1911 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Wolff, Karl, Porger, Gustav
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Knabenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Haufen dort. Wie er nun so im besten Scharren und Kratzen und
Krähen war, sah er am Wasser hinter dem Zaune Meister Reineke, den
Fuchs, liegen, der rührte und regte sich nicht und schaute fortwährend
eifrig nach dem Ufersande hin. Gokelmann hatte wohl schon oft in
seinem Leben von dem bösen Hühnerdiebe gehört, aber nie einen gesehen,
und weil nun der Fuchs rothaarig war und auch sonst viel Ähnlichkeit
mit einem Hunde hatte, redete er ihn an und rief: „Du da, bist du
nicht ein Bruder von unserm Phplax?"
Der Fuchs, der schon lange den appetitlichen jungen Hahn da
oben gewittert hatte, dachte: „Warte, dich will ich schon fassen, wenn
ich dich nur erst hier habe!" Er blieb ruhig in seiner Stellung liegen
und tat, als ob er nichts gehört hätte. „Du da, bist du nicht der
Bruder von unserm Phplax?" ries das Hähnchen noch ein paarmal
mit immer lauterer Stimme. „Ach, sieh da, liebster Gokelmann!"
sprach endlich der Schlaue und richtete den
Kopf in die Höhe, „wie bin ich froh,
daß ich dich einmal zu sehen bekomme, du
lieber, kleiner Kerl! Allerdings bin ich der
Bruder vom Phplax, und der hat mir
soviel Schönes von dir und deinem Bruder
Hühnel erzählt. Ihr sollt ja beide prächtig
krähen können, du glaubst nicht, wie gern
ich das anhöre. Leider bin ich jetzt erkältet,
und die Erkältung hat sich mir auf die Ohren geworfen, so daß ich
schwer in der Ferne höre. Du würdest mir eine große Freude machen,
wenn du über den Zaun zu mir herunterfliegen möchtest und mir
so recht in der Nähe etwas vorkrähtest!"
„Ich kann ja nicht zu dir kommen," sprach Gokelmann ganz
traurig. Er fühlte sich so sehr geschmeichelt von dem Lobe des Fuchses.
„Ach, wie schade!" sprach Meister Reineke, „ich wollte dich auch noch
um eine andere Gefälligkeit bitten. Der Doktor hat mir geraten, ich
soll wegen meiner Taubheit frische, lebendige Regenwürmer auf die
Ohren legen; da bin ich nun hergekommen, um mir welche zu holen,
und kann sie nicht gut mit meiner Schnauze fassen. Ja, wer deinen
Schnabel hätte!" „Regenwürmer, fette Regenwürmer? Sind denn
wirklich welche da?" fragte Gokelmann eifrig. „Ach, und was für
welche!" sprach der Fuchs; „Kerle, wie die Aale so fett, das kribbelt
und wibbelt davon hier unten beim Wasser. Nie in meinem Leben sah
ich solche Menge beisammen."