1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
mal setzte er sich hin. Dann sah ich, wie seine hübschen, gelben Flügel
sich nach oben zusammenklappten und leise zitterten, aber wenn ich die
Hand ausstreckte — schnell war er wieder weg!
Fritz wollte nach dem Schmetterling werfen. Er warf seinen Hut
nach ihm. Plötzlich lag Fritz im Graben und sein Hut auch. Wir lachten
und schrien: „Bist du naß?"
Fritz lachte auch. ,,Nein, es ist ja beinahe kein Wasser im Graben;
aber ich habe etwas gesunden, etwas Wunderschönes! ftommt schnell
her!"
W-r sprangen alle drei zu Fritz in den Graben.
„Ach, eine Primel! eine gelbe Primel ist es! und schon ganz auf-
geblüht!" sagte Otto verwundert. Die Primel war sehr hübsch. Ein
ganz gerader, kurzer, wolliger Stengel kam aus dem feuchten Boden.
Unten um den Stengel waren flach ausgebreitet hellgrüne, etwas läng-
liche Blätter mit vielen Adern. Oben am Stengel standen drei hell-
gelbe Blumen, und viele knospen waren noch daneben.
Wir fanden noch zwei Primeln an dem Graben, aber sie waren
noch nicht aufgeblüht.
Neben dem Graben war eine kleine, sonnige Wiese ohne Bäume.
Das Gras war noch braun. Es roch sehr gut und glänzte in der Sonne.
Wir lagerten uns und verzehrten unsere Butterbrote. Dabei fanden wir
noch etwas. Es waren dünne, graue Zweige mit dicken, hellgrauen,
wolligen knospen. Seidenweich waren sie und so hübsch. Es waren
Weidenkätzchen. Wir mutzten die Zweige mit dem Messer abschneiden,
zum Abbrechen waren sie zu zäh.
Unsere Hände waren ganz rot und blau vor Ställe, unsere Stiefel
waren ziemlich schmutzig, und unsere Beine ziemlich müde, als wir nach
Hause kamen.
Aber ich glaube, es war der schönste Spaziergang, den ich ge-
macht habe. Und als ich meine Botanisierdose aufmachte und Efeu-
zweige, silbergraue Weidenkätzchen, grüne Moospflänzchen, rosa und
weitze Osterblumen, grüngelbe Haselnutzkätzchen und gelbe Primeln zum
Vorschein kamen, da freuten sich alle zusammen und wunderten sich,
datz so ganz unbemerkt, während in der Stadt noch alles winterlich
kahl und leer aussah, im Walde schon wieder der liebe Frühling ein-
gezogen war.