1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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führen, wo er am dicksten ist: da machen wir ihnen ein Feuer an
und geben jedem noch ein Stückchen Brot, dann gehen wir an
unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden den Weg nicht wieder
nach Hause, und wir sind sie los." „Nein, Frau," sagte der Mann,
„das tue ich nicht; wie sollte iclts übers Herz bringen, meine Kinder
im Walde allein zu lassen, die wilden Tiere würden bald kommen
und sie zerreißen." „O du Narr," sagte sie, „dann müssen wir
alle vier Hungers sterben, du kannst nur die Bretter für die Särge
hobeln," und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. „Aber die
armen Kinder dauern mich doch," sagte der Mann.
Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen
können und hatten gehört, was die Frau zum Vater gesagt hatte.
Gretel weinte bittere Tränen und sprach zu Häusel: „Nun ist’s
um uns geschehen." „Still, Gretel," sprach Hänsel, „gräme dich
nicht, ich will uns schon helfen." Und als die Alten eingeschlafen
waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Untertür
auf und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz hell, und
die weißen Kieselsteine, die vor dem Hause lagen, glänzten wie
lauter Batzen. Hänsel bückte sich und steckte so viel in sein Rock-
täschlein, als nur hinein wollten. Dann ging er wieder zurück,
sprach zu Gretel: „Sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf
nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen!" und legte sich
wieder in sein Bett.
Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war,
kam schon die Frau und weckte die beiden Kinder: „Steht auf, ihr
Faulenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen!" Dann
gab sie jedem ein Stückchen Brot und sprach: „Da habt ihr etwas
für den Mittag, aber eßfs nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts!"
Gretel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine
in der Tasche hatte. Danach machten sie sich alle zusammen auf
den Weg nach dem Walde. Als sie ein Weilchen gegangen waren,
stand Hänsel still und guckte nach dem Hause zurück und tat das
wieder und immer wieder. Der Vater sprach: „Hänsel, was guckst
du da und bleibst zurück? Hab acht und vergiß deine Beine
nicht!" „Ach, Vater," sagte Hänsel, „ich sehe nach meinem weißen
Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dache und will mir Ade sagen."
Die Frau sprach: „Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die
Morgensonne, die auf den Schornstein scheint." Hänsel aber hatte