1911 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Nohl, Walter
- Hrsg.: Heider, Friedrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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dem Bahnhöfe zu. Wir wollen die Heimat für kurze Zeit verlassen,
um auf Hollands herrlichen Eisbahnen unsre Kräfte zu erproben. Der
führende Sportgenosse erwartet uns bereits an der Bahn. Gut, daß
wir ihn haben; denn er kennt als ,,alter Holländer" die Wege und ist
zudem mit einer trefflichen Karte ausgerüstet. Der Deutsche studiert
mit Eifer die Radfahrkarte; den Holländer interessiert vor allem seine
„Yskart", in die sämtliche Kanäle und Seen, die für den Eislauf in Be-
tracht kommen, sorgfältig eingezeichnet sind. Der Frühzug bringt uns
nach Neuschanz und dann nach kurzem Aufenthalt über die Grenze
noch Winschoten, einem reizenden Städtchen, das auf den Fremden,
der zum ersten Male Holland betritt, gleich einen gewinnenden Ein-
druck macht. Die kleinen hübschen Häuser reden von holländischer
Sauberkeit, Licht- und Farbenfreude. Wir erreichen nach kurzer
Wanderung den Kanal, schnallen unter und dann: Frisch auf zu fröh-
licher Fahrt!
Der Ostwind faßt uns hilfreich in den Rücken, unsre langen „Hol-
länder” holen tapfer aus. Wer auf Hollands Kanälen längere Tages-
touren machen will, darf nicht auf Eisen-Schlittschuhen, die bei uns
vorherrschend gebraucht werden, laufen. Er würde bald ermüden und
müßte dazu manches mitleidige Lächeln seitens der Holländer ein-
stecken. Wir passieren in eiliger Fahrt Scheemda, Zuidbrock, Hoge-
zand und Sappermeer. In den Ortschaften, die sich endlos am Kanal,
ihrem Lebenselemente, entlang ziehen, ist das Eis manchmal recht
mäßig, trotz der vielen Bahnfeger. Man läuft in Holland fast überall
auf gefegten Bahnen. Die Bahnfeger werden von den Gemeinden be-
stellt, wenigstens in dem Haupt-Eisgebiet, der Provinz Friesland.
Sie erwarten aber von dem Läufer, mindestens von dem fremden, eine
kleine Extra Vergütung — in Friesland bescheiden, in der Provinz Gro-
ningen vorlaut, ja frech. Hier empfangen sie den Flüchtigen schon von
weitem mit dem Rufe: „Bietje for de'baanfegers!“ Da muß man sparsam
wirtschaften, höchstens hin und wieder einen Cent opfern, sonst wird
das Vergnügen zu teuer.
2. Gegen 4 Uhr treffen wir in Groningen ein. Welch gewaltiger
Trubel herrscht dort auf dem Eise! Auf dem Kanal, der die Stadt um-
kreist, huldigt jung und alt dem Eissport. Wir haben Gelegenheit,
ein Stück holländischen Volkslebens zu studieren. Hier müht sich ein
kleiner Knirps, der eben die ersten Hosen trägt; dort versucht ein altes
Mütterchen, ob die Beine noch tragen. Hier messen sich ein paar Jungen
im Schnellauf; dort fliegt eine lange Kette, Männlein und Weiblein in