1916 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Warncke, K., Steger, August, Wohlrabe, Wilhelm
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Zwerge wieder, jagten und balgten sich, streuten Korn, Mehl urtb Säcke
umher, sprangen auf die Bären und wälzten sich vor „Wähltagen". Aber
sie kamen schön an. Die Bären liehen sich das Springen einmal gefallen,
aber als es nicht nachließ, schnappten sie ein paar von den kleinen Kerlen und
schluckten sie über. Da konnten die anderen Beine machen, und im Umsehen
waren sie zur Mühle hinaus.
Lange Zeit lieh sich kein Zwerg wieder spüren, aber nachher kam einst-
mals solch ein kleiner Kerl wieder, steckte den Kopf durch die Tür und fragte,
ob sie noch von den Katzen hätten. „Von den Katzen?" fragte der Müller,
„o ja, die hätte er noch, ob sie eine haben wollten?" „Ja nicht!" rief der
Zwerg, lief davon, und seitdem war die Mühle von den Ruhestörern befreit.
Karl Seifart.
86e. Der Musikant itn Zwergsloch bei Hildesheim.
Wenn man an der Innerste aufwärts von Hildesheim nach Marien-
burg geht, findet man auf der Hälfte des Wegs eine Höhle, welche das
Zwergsloch heiht. In diesem Loche hatten die Zwerge ihre Schmiede,
davon ist es noch heutigestags so schwarz. Die Zwerge schmiedeten aber
nichts als Gold und Silber, und wenn sie fleißig arbeiteten, so wuchs von
der Hitze unten das Korn auf den Feldern überm Zwergsloch so, daß es
eine Pracht zu sehen war. Doch weil die Zwergenkinder immer in die Erb-
senfelder gingen und die grünen Schoten stahlen, hat der Magistrat von
Hildesheim die Zwerge verjagt. Es weih aber keiner, ob die Zwerge über
die Innerste nach Amerika gegangen sind, oder ob sie sich tiefer in der
Erde verkrochen haben. —
Ein Musikant, der zu einer Kindtaufe auf der Mordmühle gewesen war,
kam spät in der Nacht mit seiner Geige am Zwergsloche vorbei. Da sah
er im Mondschein an dem „Brinke" vor dem Zwergsloch etwas Lebendiges
sitzen. Der Musikant dachte, es wäre ein Räuber, und fürchtete sich sehr,
doch er wollte nicht merken lassen, dah er ängstlich war, und schrie, so laut
er konnte: „Heda, guter Freund, immer lustig! Wollt Ihr auch noch nach
der Stadt? Kommt her, in Gesellschaft geht's sich besser!" — „Gut, du
sollst Gesellschaft haben," sagte das lebendige Ding, und als es der Musi-
kant nun recht besah, war es ein alter Mann, nicht größer als eine Elle.
Ah, dachte der Musikant, dich kann ich bezwingen, und sagte über-
mütig und im Zorn über seine vorherige Furchtsamkeit: „Du Knirps,
sackermentscher, was treibst du dich des Nachts hier herum und erschreckst
die Leute? Mach gleich, dah bn in dein Loch kommst, sonst wirst bu was
anderes gewahr werden!" — „Erdwürmchen, elendiges," rief nun aber
wütend der Zwerg nnt funkelnden Augen, „jetzt sollst du dir das Loch doch
selbst einmal besehen!" — Kaum hatte der Zwerg das Wort gesprochen,
als sich der hilfeschreiende Musikant auch schon von unsichtbaren Händen