1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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geschwind salbten, wie ich wünschte. Endlich wanderten wir fort, der
Vater mit einem Tuch zum Abliefern auf der Achsel, einem Korbe
mit einer Balle Butter am Arm und ich mit einem Stecken in der
Hand, der wenigstens ebensogroß war als ich.
Wie bei einem tüchtigen Landregen aus allen Winkeln Bächlein
fließen, zusammenströmen, zu Bächen werden und endlich in den Fluß
münden und diesen anschwellen zum gewaltigen Strom: so sendet in
weiter Umgegend fast jedes Haus seine Stellvertreter aus an einen
schönen Burgdorser Markt zu Lust und Kauf. Aus allen Fußwegen
sieht man Eilende. Sie sammeln sich schon zu Truppen in den Sträß-
chen und werden zu einer unabsehbaren Menge, wenn die Hauptstraße
sie aufnimmt. Da wogt es dann wild durcheinander von Menschen und
Vieh, und rasselnd schnurren die Wagen mitten durch, daß die plau-
dernden Fußgänger auseinander fahren, als ob eine Bombe unter sie
gefallen wäre.
Was war da für einen Buben, der noch nie auf der großen Straße
und auf einem Markt gewesen war, nicht alles zu sehen? Das Vieh
zog mich mehr an als die Menschen, und bei den kleinen, lieben Lämm-
chen mußte ich alle Augenblicke stille stehen. Je näher wir der Stadt
kamen, desto schwerer hing ich an des Vaters Rocktasche; denn immer
mehr hatte ich zu sehen. Als erst das Städtchen und das schöne Schloß
so stolz sich nlic darstellten, da wäre ich fast am Boden festgewurzelt,
so große und so viele und so schöne Häuser hatte ich nie gesehen. Sobald
ich mich von dem ersten Eindruck erholt hatte, machte ich, um bald dort
zu sein, so geschwinde Beine, daß der Vater kaum nachkonnte. Als
wir in die Stadt kamen, gab es wieder Halt, und zwar bei jedem Kram-
laden: ,,Nein, sieh doch, Vater, komm hierher!" schrie ich bei jedem
Schritt, und zerrte an der Rocktasche, daß sie krachte.
Aber der Vater hatte nicht Zeit; er mußte das Tuch abliefern.
Nachdem das geschehen war, stellte er sich mit seiner Butterballe auf
zum Verkaufen und legte das Tuch, mit welchem die Balle zugedeckt
gewesen, schön zurück. Mir brannte der Boden unter den Füßen; ich
zappelte um den Vater herum und bat ihn, daß er doch mitkomme
zu den Krämern. Endlich gab er mir einen Batzen mit dem Bedeuten,
ich solle mir dafür etwas kaufen, mich ein wenig umsehen, aber nicht
weit gehen und ja bald wiederkommen.
Glücklicher als ein König stürmte ich fort mit meinem Schatz unter
die Herrlichkeiten alle. Wo der Vater stand und welchen Weg ich nahm,
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