1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Körper des Herrn, er faßt ihn mit der Schnauze fest im Rücken,
beißt sich in das Tuch des Ramses und schwimmt dem Ufer zu.
Er zieht, zerrt, schleift, bis er den kleinen Körper oben hat auf
dem Uferbord. Da leckte er das Gesicht und die Hände, winselt
und wedelt, riecht und schnuppert. Hans will nicht erwachen. Da
stößt Leo ein mächtiges Geheul aus, daß es weit schallt wie ein
Feuerhorn über die Ebene. Alles still! Da legt er sich hin über
den Knaben, seine warmen Tatzen decken die nasse Brust — und
hält Wacht. Ist’s Totenwacht? Von Zeit zu Zeit wiederholt er sein
machtvolles Geheul, daß die Wellen erschrecken im Flusse. Endlich
nahen Schritte. Ein paar Männer kommen von W. her über die
Brücke. Sie hören das Heulen, finden den treuen Wächter neben
dem kalten, nassen Knaben. Sogleich laden sie ihn auf und tragen
ihn heim in ihr Haus, das seitab liegt von der Landstraße.
Friedrich fährt weiter, ohne zu wissen, was vorgefallen ist.
Als die Braunen vor der Mühle halten, wird er munter. Er will
absteigen und dem Hans herunterhelfen. ,,Ach Gott, wo ist er?"
Der Platz ist leer. Der Müller kommt heraus, die Mutter auch.
Sie hat sich geängstet um Hans und will ihn heimholen. Da ist
er nicht auf dem 'Wagen. Welch ein Jammer! Friedrich weiß keine
Auskunft zu geben, und obwohl er hoch und teuer versichert, nicht
geschlafen zu haben, sieht jedoch jeder, daß im Schlafe der Knabe
an seiner Seite verschwunden ist. Die Mutter will selbst hinaus
in die Nacht, das Kind zu suchen. Der Vater weist sie hinein in
die Stube. Er selbst zündet eine Laterne an und sagt: „Ich find’
ihn allein; der Leo ist auch nicht heimgekommen, so ist er beim
Hans; es kann nicht schlimm sein." Er wandert hinaus, W. zu.
Aber schon auf halbem Wege kommt ihm ein Bote entgegen, einer
der Männer, der ihm erzählt, wie und wo Hans gefunden worden,
und daß er, nächst Gott, es dem treuen Leo verdanke, daß er ge-
rettet und lebend sei. Im warmen Bette bei der Nachbarsfrau habe
er die Augen aufgeschlagen und die Rede wiedergefunden. Da eilt
der Vater mit dem Manne, sein Kind zu umarmen und sich zu
versichern, daß es ihm neu geschenkt sei. Seine Angst verwandelt
sich in Dank.
Was sitzt der Leo so vergnüglich auf der sonnenbeschienenen
Steinplatte vor dem Hause? Was blinzelt er mit den kleinen Augen
in die Sonne und leckt sich die Schnauze? Neben ihm steht eine