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1. (Viertes und fünftes Schuljahr) - S. 105

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
105 nach, und alle schrien: „Heil Mizra, dem Herrscher von Bagdad!" Da sahen die beiden Störche auf dem Dache des Palastes einander an, und der Kalif Chasid sprach: ,,Ahnst du jetzt, warum ich verzaubert bin, Grotzwesir? Dieser Mizra ist der Sohn meines Todfeindes, des mächtigen Zauberers Kaschnur, der mir in einer bösen Stunde Rache schwur. Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht auf. Komm mit mir, du treuer Gefährte meines Elends, wir wollen zum Grab des Propheten wandern; vielleicht, datz an heiliger Stätte der Zauber gelöst wird." Sie erhoben sich vom Dache des Palastes und flogen der Gegend von Medina zu. Mit dem Fliegen wollte es aber nicht gar gut gehen, denn die beiden Störche hatten noch wenig Übung. ,,O Herr," ächzte nach ein paar Stunden der Grotzwesir, ,,ich halte es mit Eurer Erlaubnis nicht mehr lange aus, Ihr fliegt gar zu schnell! Auch ist es schon Abend, und wir tüten wohl, ein Unterkommen für die Nacht zu suchen." Chasid gab der Bitte seines Dieners Gehör; und da er unten im Tale eine Ruine erblickte, die ein Obdach zu gewähren schien, so flogen sie dahin. Der Ort, wo sie sich für diese Nacht niedergelassen hatten, schien ehemals ein Schloß gewesen zu sein. Schöne Säulen ragten unter den Trümmern hervor, mehrere Gemächer, die noch ziem- lich erhalten waren, zeugten von der ehemaligen Pracht des Hauses. Chasid und sein Begleiter gingen durch die Gänge umher, um sich ein trockenes Plätzchen zu suchen; plötzlich blieb der Storch Mansor stehen. „Herr und Gebieter," flüsterte er leise, „wenn es nur nicht töricht für einen Grotzwesir, noch mehr aber für einen Storchen wäre, sich vor Gespenstern zu fürchten! Mir ist ganz unheimlich zumul, denn hier neben hat es ganz vernehmlich geseufzt und gestöhnt." Der Kalif blieb nun auch stehen und hörte ganz deutlich ein leises Weinen, das eher einem Menschen als einem Tiere anzugehören schien. Voll Erwartung wollte er der Gegend zugehen, woher die Klagetöne kamen; der Wesir aber packte ihn mit dem Schnabel am Flügel und bat ihn flehentlich, sie nicht in neue, unbekannte Gefahren zu stürzen. Doch vergebens! Der Kalif, dem auch unter dem Storchenflügel ein tapferes Herz schlug, ritz sich mit Verlust einiger Federn los und eilte in einen finsteren Gang. Bald war er an einer Tür angelangt, die nur angelehnt schien, und woraus er deutliche Seufzer mit ein wenig Geheul vernahm. Er stietz mit dem Schnabel die Tür auf, blieb aber überrascht auf der Schwelle stehen. In dem verfallenen Gemach, das nur durch ein kleines
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