1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Hase oben ankam, rief ihm der Igel entgegen: „Ich bin schon da!"
Der Hase aber, ganz außer sich vor Eifer, schrie: „Nochmal gelaufen,
wieder herum!" „Mir recht," antwortete der Igel, „meinetwegen so
oft, als du Lust hast." So lief der Hase dreiundsiebzigmal, und der
Igel hielt es immer mit ihm aus. Jedesmal, wenn der Hase unten
oder oben ankam, sagte der Igel oder seine Frau: „Ich bin schon da!"
Zum vierundsiebzigsten .Male aber kam der Hase nicht mehr zu
Ende. Mitten auf dem Acker stürzte er zur Erde, das Blut floß ihm
aus dem Halse, und er blieb tot auf dem Platze. Der Igel aber
nahm sein gewonnenes Goldstück und die Flasche Branntwein, rief
seine Frau aus der Furche ab, und beide gingen vergnügt nach Hause,
und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch.
87. Die Fliege vom vorigen Jahr.
Max Nordau.
Es war einmal eine große, braune Fliege, die hieß Summ-Summ.
An einem warmen Sommertage, als das Fenster offen stand, war sie
in die Küche geflogen und hatte sie nicht wieder verlassen; denn es
war ein angenehmer Ort, und es gefiel ihr da sehr gut. Im Schranke
gab es Zuckerkrümel und auf dem Tische Milch- und Kaffeeneigen,
so daß sie vollauf zu essen und zu trinken hatte. Wenn sie nicht
naschte und schleckte, putzte sie sich mit den Vorderbeinen das
Gesicht und bürstete sich mit den Hinterbeinen die Flügel und den
Rücken. Und wenn sie sich nicht schön machte, sah sie neugierig zu,
wie Marie am Kochherd schaffte, wie sie Feuer anzündete, wie sie die
Töpfe zusetzte, wie sie salzte und würzte, wie sie umrührte und ab-
schäumte, und suchte zu erraten, was es an dem Tage Gutes zu
schnabulieren geben werde. Und wenn Marie nicht in der Küche war,
plauderte sie mit dem Heimchen, das im Schrund des Rauchfangs
wohnte und mit dem sie sich rasch befreundet hatte. Das Heimchen
war ein sehr lustiges Ding und wurde nicht müde zu schwatzen
und zu klatschen, zu fragen und zu erzählen. Auch an Besuch
fehlte es nicht. Kaum öffnete Marie morgens das Fenster, so flogen
ganze Schwärme von Fliegen herein, Schwestern und Muhmen und
Nachbarinnen, die Summ-Summ begrüßten und ihr alle Neuigkeiten
erzählten, und denen Summ-Summ artig Kaffee und Kuchen vorsetzte.
Sie hatte es ja und konnte es tun. Es war ein ewiges Fest, und