1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
daten waren tief ergriffen, und manches bärtige, von Wind und
Wetter gebräunte Antlitz zuckte schmerzlich zusammen; in aller
Augen aber glänzten Tränen der Rührung, und feierlich ernst war
jedem zumute bei diesem heiligen Akt. Markig und voll fielen
die Stimmen der Krieger ein in den Gesang, den der Hauptmann
anstimmte, und gewaltig wie Orgelton brauste er dahin durch die
stille, heilige Nacht. Es war tief ergreifend, dieses kleine Häuflein
deutscher Soldaten zu sehen in der Christnacht dort im feindlichen
Lande. Andachtsvoll standen sie in der freien Natur, über sich den
gestirnten Himmel, zu beiden Seiten den roten Schein mehrerer
Wachtfeuer und vor sich die brennenden Kerzen des stattlichen Christ-
baums. Da ward's auch licht und hell in ihren Herzen; die Hoffnung
auf bessere Zeiten zog wieder ein in die Brust der Krieger, und
freudig brachten sie ein feuriges Hoch ihrem geliebten Führer, dem
sie diese Feier verdankten.
118. Vom Weihnachtsmarkt.
Johannes Trojan.
Weihnachtsbäume sind sehr knapp dies Jahr! Dies Gerücht
war von den Händlern ausgesprengt worden, um möglichst hohe Preise
zu bekommen; bald aber zeigte sich, daß es durchaus unbegründet war.
Der Markt war sehr gut mit Weihnachtsbäumen befahren, und drei
Tage vor dem Fest standen noch ganze Wälder unverkauft da.
Die große Masse der diesjährigen Weihnachtsbäume bildete wieder
die Rottanne unserer Gebirge, Edeltannen kamen hier und da in ge-
ringer Zahl vor, und sehr selten sah man eine Kiefer. Im ganzen war
Nadelholz genug da in der Stadt, aber es war kein Weihnachtswetter,
und auf der schmutzigen Straße im Regen nahmen die Tannenbäumchen
sich auch nur trübselig aus — sie brauchen einen Untergrund von Schnee.
Endlich wurde die Witterung fester, und es schneite. Es war aber
ein etwas ungestümes Gestöber, das auf dem Weihnachtsmarkt einige
Bestürzung hervorrief. Die Flocken wirbelten, von lebhaftem Winde
getrieben, durcheinander und wollten durchaus in alle Buden hinein.
Da galt es zunächst, den am meisten bedrohten Pfefferkuchen zu retten.
Schnell wurden Decken und Tücher darüber gebreitet. Die Puppen,
die vorn am Rande der Verkaufstische saßen, erhoben ein Geschrei,
als es ihnen in die Gesichter schneite, und mußten in die Hintergründe
geflüchtet werden.