1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
215
spannte, war der Name Bruchmüller nur zu gut bekannt. Und dieser
Name hatte jetzt in seinem Ohr keinen allzu guten Klang; denn so
gerne er es sah, daß Fremde in sein Land kamen, so sehr erregte es
seinen Zorn, wenn preußische Untertanen auswandern wollten. Unwirsch
stampfte er deshalb mit dem Fuß und erhob drohend den berühmten
und berüchtigten Krückstock. Die arme, heftig erschrockene Frau stand
wie versteinert vor dem zürnenden König. Die Sache meines Urur-
großvaters schien verloren. Da griff der kleine Bruchmüller als rettender
Engel ein. Ängstlich seine Mutter am Rock zupfend, rief der Bursche:
,,Modder, kum weg, de Kerl will di slan!" Der Zorn des Königs
war augenblicklich erstickt in einem lauten Lachen über den komischen
Ausruf des Kleinen, und die Frau wurde mit freundlichen und er-
mutigenden Worten entlassen. Schon nach wenigen Tagen kehrte der
gefangene Bruchmüller ohne jede Strafe zu seiner Frau zurück. Er
hatte nur schwören müssen, nie wieder auswandern zu wollen. Und
er hat Wort gehalten, die Wanderlust war ihm gänzlich vergangen.
Sein Sohn und Enkel folgten ihm auf dem Lehnschulzenhofe, und
noch jetzt baut der größte Teil ihrer zahlreichen Nachkommenschaft in
Neurüdnitz und den umliegenden Dörfern als kernhafte Bauern ihre
Scholle. Und noch jetzt danken alle Bruchmüllers es dem Alten Fritz,
daß sein Eingreifen uns in dem Vaterlande zurückgehalten hat, wäh-
rend wir sonst vielleicht im fernen Rußland um unser Deutschtum ringen
müßten oder gar schon zu Russen gemacht wären.
151. Das Lager des Königs.
Anekdoten und Charakterzüge aus dem Leben Friedrichs des Großen.
im Siebenjährigen Kriege war der König einstmals, als er sich
gerade auf einem Vorposten befand, äußerst ermüdet und gab zu
verstehen, er wünsche etwas zu schlafen. Die Soldaten, welche
die Feldwache hatten, machten ihm von Stroh ein Lager zurecht,
hüllten ihn in seinen Mantel, und er schlief so sanft darauf, als
läge er in dem weichsten Bette. Indes ward die Feldwache abgelöst.
Einer von den neuangekommenen Soldaten sah den König schlafen
und glaubte, es wäre bloß ein Offizier. Da er ebenfalls große
Neigung zum Schlaf spürte und kein bequemes Lager hatte, zog
er von dem Stroh, auf dem der König ruhte, einen Wisch nach
dem andern hervor, um sich davon eins zu bereiten. Er tat dies