1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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Hofbälle verließ er schon früh; denn die Ärzte hielten daraus, daß er bald
zu Bett ging.
Seine Diener behielt der Kaiser lange. Da er in seinen Gewohnheiten
einfach, in seinen Befehlen genau, in seinen Wünsche deutlich, in seinem
ganzen Wesen gleichmäßig war, so war er ein Herr, dem zu dienen leicht
fiel. Man lernte schnell, wie man es ihm recht machte. Er schalt nie;
wenn er sehr unzufrieden war, so sagte er: ,,Das darf nicht sein!" oder
,,Das soll nicht sein!" An Wohl und Wehe seiner Diener nahm er
Anteil und hatte für jeden ein freundliches Wort. Selbst im Feldzuge,
wo manche schwere Sorge auf ihm lag, übersah er sie nicht und unterließ
nicht leicht, ein Wort an sie zu richten. Als er durch einen Mvrdanschlag
verwundet worden und aus einer Ohnmacht wieder zum Bewußtsein
gekommen war, befahl er zuerst, seinem Sohne zu telegraphieren, damit
er die Geschäfte übernähme, dann fragte er, was aus dem Kutscher und
dem Leibjäger geworden wäre. Er liebte es, für einen jeden seine Weih-
nachtsgeschenke selber zu wählen, und scheute die Mühe nicht, seine Gaben
eigenhändig eine Treppe hinauf in die Gemächer der Kaiserin zu tragen,
in denen beschert wurde; denn es machte ihm Freude, zu überraschen.
Nicht leicht vergaß er das Gesicht eines treuen Dieners, auch wenn
dieser aus seiner Umgebung versetzt worden war, und er ihn jahrelang
nicht gesehn hatte. Sah er ihn dann, vielleicht nur zufällig und vielleicht
in einer Menge Menschen stehn, so erkannte er ihn doch sofort, begrüßte
ihn bei Namen und erkundigte sich nach seinem Ergehen.
So war der Kaiser ein Herr, den diejenigen am meisten verehrten,
die ihni am nächsten waren.
184. Wie Bismarck seinem Reitknecht das Leben rettet.
Oskar Höcker.
Mit besonderem Eifer widmete sich Bismarck den Übungen,
zu denen er als Leutnant der Landwehr eingezogen wurde. Er war
zur Reiterei übergegangen und diente bei den pommerschen Ulanen.
Während einer solchen Übung stand er mit einigen Kameraden
an der Brücke des Sees zu Lipphene und sah zu, wie sein Reitknecht
Hildebrandt sein Pferd in die Schwemme trieb. Der Soldat kannte
die verschiedenen Untiefen nicht und ritt arglos eine Strecke weit
in den See hinein. Plötzlich verlor das Pferd den Grund unter den
Füßen und überschlug sich, den Reitknecht mit in die 1 iefe hinab-