1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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galizischen Flöße, die im Weichsellande Traften heißen. Ich will es
versuchen, eine solche Traft zu beschreiben. Die Grundlage und das,
was darauf den kaufmännischen Wert darstellt, bilden aneinander ge-
reihte Baumstämme, gewöhnlich Nadelholzbäume; sie werden zusammen-
gehalten durch ein paar mit langen und breitköpfigen Nägeln darauf
geheftete dünnere Stämme. Diese Verbandhölzer heißen Kleisten oder
Kleeste; das Ganze wird eine Tafel genannt. Die Tafeln wieder find
durch gewundenes Holz (Weeden) miteinander verbunden. Ihrer viele
bilden in ihrer Gesamtheit die Traft. Selbstverständlich sind die Tafeln
so miteinander verknüpft, daß die Traft um vieles länger als breit ist.
Am vorderen und am Hinteren Ende der Traft liegen auf Stützen
die sehr langen und schweren Ruder, die eigentlich Bäume sind. An
jedem Ende befinden sich gewöhnlich fünf Ruder. Jedes wird geführt
von einem Floßknecht oder Flissen. Der Mann führt das Ruder stehend,
hat aber, um sich einmal ausruhen zu können, ein Bänkchen, bestehend
aus einem kurzen Pfahl mit einem daraus befestigten kleinen Brett.
Wenn man die Leute bei der Arbeit sieht, erscheint es einem, als
tauchten sie die gewaltigen Ruderbäume immer nur ganz gleichmäßig
senkrecht ins Wasser ein; sie lenken aber damit doch das Floß, während
die Hauptarbeit, die des Vorwärtsbringens, der Strom verrichtet. Gern
tut er's vielleicht nicht; aber er tut's. Mitunter wird er doch einmal
unwirsch und reißt trotz Kleisten und Weeden das ganze Tafelwerk
auseinander. Das kann zu Ungelegenheiten Anlaß geben; denn wenn
zugleich mehrere Traften zerrissen werden, kann niemand nachher mit
voller Sicherheit mehr sagen, wem ein oder das andere Stück Holz
gehört.
Auf der Traft sind ein paar Strohhütten oder vielmehr kleine
Strohdächer angebracht, unter die sich die Floßknechte verkriechen können,
uni annähernd trocken zu liegen. Denn auch wenn keine Niederschläge
von oben kommen, ist es auf der Traft immer sehr naß. Das Wasser
kommt auch von unten und überflutet beständig die Tafeln; daher ist
hier und da bei den Strohhüttchen, die auch einen Unterbau haben,
ein erhöhtes Plätzchen angelegt, auf dem man hocken kann, ohne nasse
Füße zu bekommen, wenn man darauf überhaupt etwas gibt. Den
Liebhabern der Kneippkur kann der Aufenthalt auf der Traft nicht
genug empfohlen werden. Es sei aber bemerkt, daß einige Übung dazu
erforderlich ist, um sich mit Sicherheit auf der Traft zu bewegen. Run,
diese haben die Leute, die da zu Hause sind, sich angeeignet, und auch
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