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1910 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: ,
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 1 – Primarstufe, Klassen 1 – 4/6
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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sind des Kuckucks Gevattern und seiner Kinder Pflegeeltern: Gras-
mücke und Bachstelze, Rotkehlchen und Rotschwänzchen, Zaunkönig
und Drossel — kein Allerweltsonkel hat auch nur entfernt soviel
Freundschaften wie unser Kuckuck!
Das Kuckucksweibchen lauert am liebsten den Zeitpunkt ab,
da die Vögel nicht beim Neste sind; dann setzt es sich darauf und
legt das Ei in gewöhnlicher Weise hinein, oder es legt das Ei
auf dem Boden ab und trägt es mit dem Schnabel in das Nest.
Heute will der Kuckuck ein Zaunkönigpärchen mit seinem Ei
beglücken. Die beiden Vögel mochten eben weggeflogen sein, als
sie bei ihrer Heimkehr die fremde Riesendame mit dem Ei im
Schnabel auf ihr Nestchen zuflattern sahen. Wie hatte diese ihr
Kinderstübchen nur entdeckt? Sie hatten es doch nach ihrer
Meinung so schlau versteckt. Die armen Tierchen ahnen, was ihnen
droht: sie zirpen und piepen, klagen und schreien und stechen wohl
gar mit ihren spitzen Schnäbeln auf den großen Vogel los. Den
aber kümmert das wenig; trotz allen Schreiens fliegt er auf das
Nest zu, läßt das Ei hineingleiten und wirft dann noch zum Schlüsse
vor den Augen der Eltern die Mehrzahl ihrer Eier hinaus. Dann
streicht er kichernd von dannen. Die beiden Vögel fliegen zum
Neste, setzen sich an den Rand und besehen sich den Schaden.
Drei Eier hat ihnen der Unhold hinausgeworfen; das Weibchen
hat es gesehen, wie sie unten auf einem Aste aufschlugen und ihr
Inhalt auf die grünen Blätter umherspritzte. Und dafür hat ihnen
der freche Vogel ein Ei hineingelegt, das sie selbst von den ihrigen
kaum unterscheiden können. Bald aber versöhnen sich die beiden
Alten mit ihrem Schicksal. Sie setzen sich wieder ins Nest und
brüten weiter, ganz wie sie es sonst gewohnt sind. Die armen
kleinen Eltern! Sie ahnen es nicht, welch furchtbares Geschenk
ihnen die Kuckucksmutter ins Nest gelegt hat.
Nach vierzehn Tagen wird es lebendig im Neste. Es hat drei
Einwohner: zwei Zaunkönige und einen Kuckuck. In der ersten
Zeit sind die Einwohner sich sehr ähnlich; der Kuckuck aber wächst
sehr schnell, und schon nach zwei Tagen ist er doppelt so groß
wie seine Stiefgeschwister. Er hat einen unförmlich dicken Kopf
mit hervorquellenden Augäpfeln. Sein Schnabel ist tief gespalten,
und er kann ihn entsetzlich weit aufreißen. Das tut er dann auch
fortgesetzt und schreit dabei zum Erbarmen. Jeder Bissen, den die