1912 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Steger, August, Wohlrabe, Wilhelm
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
nämlich die Bestandteile der Atmosphäre im richtigen Gleichgewichte zu
erhalten, hat zwar die gesamte Pflanzendecke der Erde, in erhöhtem Grade
aber kommt sie dem Walde zu. Das tritt am deutlichsten hervor, wenn
Felder und Wiesen abgeerntet sind und der sonstige niedere Pflanzenmuchs
gegen Ende des Sommers seinen Abschluß gefunden hat. Dann sucht der
Bewohner der Ebene die Sommerfrische im waldbedeckten Gebirge auf,
um hier Erholung und Stärkung zu finden. Und nun kommen wir auf einen
Punkt, der noch viel zu wenig gewürdigt wird: Die Bedeutung des Waldes
einerseits für die Erholungsuchenden und anderseits für die Gebirgsbe-
wohner. Er ist der Magnet, der den gewaltigen Strom der Tausende
von Wandrern, der für die Gebirgler eine ganz erhebliche Einnahmequelle
bildet, alljährlich nach den Bergen zieht. Oder glaubt man wirklich im
Ernst, daß — wären zum Beispiel die Thüringer Berge und der Harz
ohne Wald — es auch nur einem einzigen Reisenden einfallen dürfte,
in den kahlen, sonnendurchglühten Bergen herumzusteigen, oder daß nur
eine einzige Familie in dem nackten Gestein ihre Sommerfrische auf-
schlagen, ein Gasthaus, ein Bad dort seine. Pforten öffnen würde? Jene
ganz bedeutende Einnahmequelle, mit welcher die Gebirgler rechnen müssen,
würde sehr bald versiegen und das nackte Bergland über lang oder kurz
von seinen Bewohnern verlassen werden.
6. Von kurzsichtigen Leuten hört man nun oft die Ansicht aussprechen,
daß man bei den jetzigen Verkehrsmitteln den einheimischen Verbrauch
leicht und vollauf durch Zufuhr aus dem Auslande befriedigen könne,
wenn auch in Deutschland die Waldfläche noch mehr zurückgehe und der
inländische Bedarf an Holz nicht mehr aus den vaterländischen Wäldern
gedeckt werden könne. Ja, zurzeit wohl noch, aber nicht für alle Zukunft.
Denn man wolle bedenken, daß in den Ländern, aus denen wir jetzt noch
Holz beziehen (hauptsächlich Rußland und Skandinavien) die Wälder rück-
sichtslos niedergeschlagen werden, daß dort vielfach der reine Raubbau ge-
trieben wird, der mit einer Erschöpfung der Waldungen in absehbarer Zeit
endigen muß. Schon jetzt macht sich in Rußland, dessen Waldungen sehr
ungleich über das Land verteilt sind, in verschiednen Gouvernements ein
empfindlicher Holzmangel fühlbar, während im russischen Norden noch Über-
fluß herrscht, der aber wie aller Überfluß zur Verschwendung führt. Auch in
Norwegen sind die Wälder durch rücksichtslose Ausbeutung schon stark ge-
lichtet, und in der ungarischen Tiefebene zeigt sich bereits Holzmangel, wäh-
rend von dem waldarmen, europäischen Westen und Süden überhaupt
keine Zufuhr zu erwarten ist. Diese Länder (England, Frankreich, Italien)
beziehen schon längst ihr Holz aus dem Norden.
Mit dem Hinweis auf die Kohlenlager macht man den Wald auch
nicht überflüssig. Aller Bergbau ist nicht nachhaltig, und wo nichts hinzu-
kommt, muß die Ausbeute endlich aufhören. Deutschland besitzt sieben