1907 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Steger, August, Wohlrabe, Wilhelm
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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war in den letzten Tagen belebter als je und bedeckt mit hungrigen und
durstigen Wandrern, welche jedoch weniger dem Nährstande als dem Wehr-
stande angehörten. Es nutzte irgendwo in der Welt irgend etwas vorge-
fallen sein, was das gefährliche, sehr gefrätzige und sehr durstige Volk
der Landsknechte, Reiter und Abenteurer mehr als gewöhnlich in Bewegung
gebracht hatte. Und so war es auch. Ein kriegerisch Spiel war zu Ende,
und ein andres sollte beginnen, und die Karten dazu waren bereits gemischt
und ausgegeben worden. Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig
hatte wieder einmal seine gute Landesstadt Braunschweig hart belagert und
die Belagerung aufgehoben, ohne der Stadt viel abzugewinnen. Herzog und
Stadt zahlten ihre Knechte und' Reiter aus, und das zusammengelaufene Volk
im Lager und in den Wällen erhob sich summend und flog auseinander wie
ein Schwarm Hummeln und Hundsmücken, wenn der Honigtopf zugedeckt
wird. Von dem versammelten Volke blieb unter dem Herzog Jürgen von
Mecklenburg ein wilder Schwarm beisammen. Ein grotzer Teil aber der
herzoglichen und städtischen Rotten zerstreute sich auf allen Landstratzeu des
heiligen römischen Reichs deutscher Nation. Der Wirt zum Magdeburger
Kranz, Hans Rolle, mochte aber mit bester Hoffnung nach guter Kundschaft
ausschauen; denn es war bestimmt, daß um die Stadt Magdeburg sich alle
die zerstreuten Atome der bei Braunschweig auseinandergesprengten Heeres-
massen wieder sammeln und zu neuem Unheile sich zusammenfügen sollten.
2. Gute Kundschaft für den Wirt Hans Nolle näherte sich schon
gleich einem Krähenschwarme mit großem Geschrei; sie marschierte nach dem
Gequiek einer Querpfeife, welche ein blutjunges Bürschlein keck und frech
dem wunderlichen Haufen voranblies. Einem Krähenschwarme gleich, wel-
cher sich mit Tumult auf einer Weide am Wege niederläßt, schlug sich
dieser Schwarm abgedankter Söldner vor der Stratzenschenke zum Magde-
burger Kranz nieder. Der Wirt aber schrie nach seinem Weibe, nach seiner
Magd, seiner Tochter, seinem Knecht und Jungen; denn nun waren alle
Hände der Wirtschaft zur Bedienung nötig, wenn der ungebärdige Haufe
nicht Tische, Stühle, Bänke und Fenster zerschlagen sollte. Die in der
niedern Schenkstube Anwesenden aber sahen einander ziemlich scheu an, und
jeder schien bei sich zu überlegen, ob es nicht das Veste sein werde, wenn
mau schnell seinen Krug austrinke und schleunigst sich davonmache, ehe der
wüste Haufe anstürme. Die Neugier spricht jedoch in solchen Fällen ein zu
großes Wort mit und überwindet nur allzu häufig den Verstand. So auch
jetzt; Schneider, Metzger, Hausierer und Bettelmann tranken nicht aus,
sondern rückten in ihrer'ecke, an ihrem Tische nur ein wenig dichter zusammen
und horchten mit gesenkten Köpfen, wie der Wirt unter der Tür, wo des
Metzgers erhandeltes Kalb an einen Pfosten gebunden war, die Ankommen-
den begrüßte.
3. Selten hatte wohl eine auf der alten Hanse- und Levantestraße