1912 -
Hannover
: Norddt. Verl.-Anst. Goedel
- Autor: Kippenberg, August, Rosteutscher, Waldemar
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mädchenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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den Lobpreisungen, die ihr noch von weitem nachgerufen werden, und
langt kurze Zeit später glücklich daheim an.
So ganz wohl zumute ist ihr nicht,- sie besinnt sich, daß sie ihr
Portemonnaie in dem verschenkten Muff vergessen hat, und ärgert sich
auch im voraus über das Verhör, dem sie der beiden Dinge wegen von
der Kammerfrau unterzogen werden wird.
Die Kammerfrau ist es auch, die auf ihr Schellen öffnet und sie mit
der Nachricht begrüßt: „Der Herr General sind schon lange zu Hause."
„Da geh' ich gleich zu ihm hinüber," antwortete die Gebieterin,
gibt rasch Hut und Mantel ab und tritt in das Zimmer ihres Mannes.
Der alte Herr erhebt sich beim Erscheinen der alten Frau. Er
ist um ein weniges kleiner als sie, hat aber etwas ungemein Energisches;
Gang und Haltung verraten den ehemaligen Kavalleristen.
„Kommst du endlich!" ruft er der Eintretenden entgegen, „hat
heute wieder schön lange gedauert, die Urschlerei." Mit diesem Kamen
pflegt der General die Gesellschaften zu bezeichnen, die lediglich aus
Damen bestehen.
„Es waren auch Herren da," entgegnete die Generalin.
„Beneide sie nicht," murmelt der Gatte und zieht den Tisch zurück,
damit seine Frau auf dem Sofa Platz nehmen könne . . .
Zu ihrem Schrecken trat jetzt die Kammerfrau herein, durchforschte
das Zimmer mit spähenden Blicken und nahm von dem eifrigen Abwinken
ihrer Herrin keine Notiz.
„Lassen Sie es nur gut sein, Adele, lassen Sie es nur gut sein,"
sagte diese endlich in einem Tone, in dem die dringende Bitte wie ein
kühler Befehl klingen sollte.
Und der General, der längst überlebten Mode huldigend, in Gegen-
wart der Dienstleute ein ihm nicht ganz geläufiges Idiom zu gebrauchen,
fragte:
„Qu’est-ce que veut-elle donc?“
„Ich suche den Muff," sprach Adele, „die gnädige Frau haben
den Muff nicht mitgebracht, und hier ist er auch nicht."
„Nun, wenn ich ihn nicht mitgebracht habe, kann er auch nicht
hier sein," versetzte die Generalin. „Gehen Sie nur, Adele."
Der treuen Dienerin war diese wiederholte Abweisung ein Stich
ins herz, und ihre tiefe verletztheit äußerte sich in der Miene, mit der sie
hervorstieß:
„Aber der Muff ist weg!"
Der General wendete rasch den Kopf und fragte kurz: „was
Muff? wer ist Muff?"
„Der große, der .schwarze, der schöne Muff," entgegnete Adele,
und die Generalin bemerkte krampfhaft lächelnd:
„Groß und schwarz allerdings, aber schön . . . daß er schön war,
hat ihm wirklich schon lange niemand mehr nachsagen können."
„Mag er nun sein, wie er will," erklärte der Mann, „da muß er sein !"
„Man muß ihn halt wieder abholen," sprach Adele, „die gnädige