1912 -
Hannover
: Norddt. Verl.-Anst. Goedel
- Autor: Kippenberg, August, Rosteutscher, Waldemar
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mädchenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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„So recht, ihr lieben Eidgenossen,
nur frisch gewagt! seid unverdrossen,
wie eure tapfern Vordem waren,
die das getan vor hundert Jahren;
fahrt fort, fahrt fort, laßt euch nichts schrecken
und tut die Arme kräftig recken!
Die Arbeit hilft gewiß zum Siege
und schafft auch, daß man vorwärts fliege!" —
Den Reisenden deuchte seine Stimme, wie wenn der Wind
ins Segel bläst, oder wie wenn das Jagdhorn im Walde tönt und
den Mut in der Brust des Jägers entfacht. Sie zogen kräftig die
Ruder an in gleichem Zug, in gleichem Flug. Der Steuermann
stand an seinem Wasserpfluge und schnitt tiefe Furchen in den
Rhein. Auch die liebe Sonne hatte ihre Freude daran, daß das
Schiff so tapfer fortschritt, und schien so hell in die Ruder hin-
ein, daß sie von fern wie Spiegel glänzten. Geschwätzig plaudernd
tanzten die Wellen rings um das Schiff; das Gestade warf scherzend
die Wasser zurück, die ans Ufer schlugen.
In Laufenburg, wo neidische Felsblöcke dem Strome den Weg
zu sperren suchen und der Rhein mit gewaltigem Wogensturze sich
zwischen Felsen eine Gasse bahnt, mußten unsere Schiffer ihr
Boot verlassen und mit dem Hirsebrei in ein anderes steigen, das
jenseit der Stromschnelle bereit lag. Unterhalb Säckingens, wo
St. Fridolins Kloster auf der Insel steht, fuhren sie im „Gewilde"
des Rheins zwischen starrenden Felsklippen an dem dritten Strudel,
dem Höllenhaken, glücklich vorüber nach Rheinfelden. Von hier an
nimmt der Fluß ruhiger und sanfter den Lauf; das tut er der Stadt
Basel zuliebe, der er gar wohl gewogen ist wegen der Tapferkeit
der Männer an seinem Gestade und wegen des Fleißes, mit dem
sie sein Talgelände anbauen.
Von der dichtbesetzten Rheinbrücke in Basel, die sie um die
elfte Stunde erreichten, jauchzte die Volksmenge den waghaften
Gesellen Gruß und Beifall zu. Die unten antworteten mit Drom-
metenschall, und das Schiff schoß unter der Brücke hindurch, wie
der Pfeil vom Bogen fliegt. Daß sie nun das Rheinknie bei Basel
erreicht hatten, freute sie sehr; denn sie dachten: „Der rauheste
Weg ist überwunden, der weiteste wird wohl auch gefunden."
Gegen zwei Uhr ward im Angesicht von Breisach eine kurze Mittags-
rast gehalten, dann ging es mit frischen Kräften weiter: „Je heißer
brannf der Sonne Glut, je mehr entzündet ward ihr Mut," so daß
sie stärker ruderten. Aber auch die Sonne beschleunigte ihren
Lauf. Schon neigte sie sich dem Westen zu, da erblickten die
Züricher in dämmernder Ferne die Turmpyramide des Straßburger
Münsters und begrüßten sie mit Freudengeschrei und Drommeten-
fanfaren.
Gegen acht Uhr fuhren sie aus dem Rheinarm in die 111. Jetzt