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1. Teil 4 - S. 336

1912 - Hannover : Norddt. Verl.-Anst. Goedel
336 europäisch kleiden, trägt die japanische Bevölkerung noch das alt- hergebrachte Nationalgewand. In der Hauptstraße liegen die offenen Verkaufsläden Haus bei Haus, und der Kunde darf alles besehen und anfassen. Auf dem über der Straße erhabenen Flur sind die in ganz Japan gebräuch- lichen dick gepolsterten Matten mit den Verkaufsgegenständen ausgebreitet. Hier sind bedruckte und bemalte Zeugstoffe, dort Holz- und Lackwaren ausgestellt; an einem andern Laden werden Bücher und Bilder feilgeboten oder Bürsten, Schreibmaterialien, Bronzewaren, Rauchgegenstände, Sandalen, Kinderspielzeug, Seidenstoffe, Arbeiten aus Papier, Altertümer usw. Alles ist sauber gehalten und gefällig geordnet; das zierliche und nette Aussehen der Waren erregt die Kauflust. Von einem Schwarm Neugieriger umdrängt, treten wir in einen Bilderladen. Der auf dem Flur hockende Besitzer verbeugt sich so tief, daß seine Stirn fast den Boden berührt, und harrt geduldig unserer Wünsche. Nachdem wir einige hundert Bilder für etliche Taler erstanden, bringt uns der Dolmetscher zu einem Kuriositäten- händler. Da hängen an den Wänden prächtig ziselierte Klingen und Schwertblätter, vergoldete Rüstungen und gewebte Prachtge- wänder der vornehmen alten Adelsgeschlechter. Die Wirklichkeit hat ja diese Herrlichkeiten durch den europäischen schwarzen Frack und das liebe Spazierstöckchen ersetzt, und zum richtigen Japaner gehört nunmehr eine Brille! Kleinode verloren gegangener Kunst und reichen Lebens: goldbemalte Trinkschalen und Prunkkästen, bronzene Vasen und Silberdrachen mit Schuppenpanzern und beweg- lichen Gliedern, Elfenbeinfigürchen in entzückender Feinheit, altes Porzellan von unvergleichlichem Farbenschmelz, Porzellangeschirre, dünn wie Papier, sind hier aus den verarmten Edelsitzen des ganzen Landes zusammengeschleppt und für den Fremden zum Kauf gestellt, um über die Erde zerstreut zu werden. Wenige Schritte entfernt liegt ein Geschäft für Seidenstickereien. Vor dem Laden haben wir uns der Stiefel zu entledigen; denn der Reinlichkeitssinn verbietet, jemals den Mattenboden eines japanischen Hauses mit Schuhwerk zu betreten. Von der Hauptstraße biegen wir in ein Seitengäßchen und glau- den uns plötzlich in ein Dorf lein versetzt. Einstöckige Häuser mit Gärtchen, bebaute Felder ringsum! Hier wird von den kleinen Leuten Papier fabriziert. Wenn Japan „das Land der Blumen", „das Para- dies der Kinder", „die Heimat der höflichen Menschen", „der Schauplatz harmloser Lebensfreude" genannt wird, so könnte man es scherzweise auch „das Land des Papiers" heißen. Der Japaner benutzt Papier als Taschentuch, als Pflasterunterlage, gedreht als Bindeband, gefaltet als Mütze und Haarschmuck, zur Herstellung von Fächern, Schirmen, Laternen. Es ersetzt ihm Fensterscheiben
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