1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
207
bodens zu vergrößern, neue Stellen für Ansiedler zu schaffen. Sümpfe
wurden ausgetrocknet, Seen abgezapft, Deiche aufgeworfen. Kanäle
wurden gegraben, Vorschüsse bei Anlagen neuer Fabriken gemacht, Städte
und Dörfer auf Antrieb und mit Geldmitteln der Regierung fester und
gesünder wieder aufgebaut; das landschaftliche Kreditsystem, die Feuer-
sozietät, die königliche Bank wurden gegründet; überall wurden Volks-
schulen gestiftet, unterrichtete Leute ins Land gezogen, überall Bildung
und Ordnung des regierenden Beamtenstandes durch Prüfungen und
strenge Kontrolle gefördert. Es ist Sache des Geschichtschreibers, dies
zu rühmen, aber auch einzelne verfehlte Versuche des Königs, die bei dem
Bestreben, alles selbst zu leiten, nicht ausbleiben konnten, aufzuzählen.
Für alle seine Länder sorgte der König, nicht zuletzt für sein
Schmerzenskind, das neuerworbene Schlesien. Als der König die so große
Landschaft eroberte, hatte sie wenig mehr als eine Million Einwohner.
Hundert Jahre hatten nicht ausgereicht, die handgreiflichen Spuren des
Dreißigjährigen Krieges zu verwischen; in den Städten lagen noch die
Schutthaufen aus der Schwedenzeit, überall neben den neu gebauten
Häusern die wüsten Brandstellen. Viele kleine Städte hatten noch Block-
häuser nach alter slawischer Art mit Stroh- und Schindeldach, seit lange
dürftig ausgeflickt. Durch die Preußen wurden nicht nur die Spuren alter
Verwüstung, sondern auch der neuen des Siebenjährigen Krieges nach
wenigen Jahrzehnten getilgt. Friedrich ließ fünfzehn ansehnliche Städte
zum größten Teil auf königliche Kosten wieder in regelmäßigen Straßen
aufmauern und erbaute einige hundert neue Dörfer; er legte den Guts-
herren den harten Zwang auf, einige tausend eingezogene Bauernhöfe
wieder aufzubauen und mit erblichen Eigentümern zu besetzen. Zur
Kaiserzeit waren die Abgaben weit geringer gewesen, aber sie waren
ungleich verteilt und lasteten zumeist auf den Armen; der Adel war vom
größten Teil befreit, die Erhebung war ungeschickt; viel wurde veruntreut
und schlecht verwendet, es floß verhältnismäßig wenig in die kaiserlichen
Kassen. Dfe Preußen dagegen teilten das Land in kleine Kreise und
schätzten den Wert des gesamten Bodens ab; nach wenig Jahren war alle
Steuerbefreiung aufgehoben; das Land zahlte jetzt seine Grundsteuer, die
Städte zahlten ihre Akzise. So trug die Provinz die doppelten Lasten
mit größerer Leichtigkeit, nur die Privilegierten murrten; und dabei konnte
das Land noch 40000 Soldaten unterhalten, während es früher nur
etwa 2000 aufgebracht hatte. Vor 1740 hatten die Edelleute die großen
Herren gespielt; wer katholisch und reich war, der lebte in Wien; wer