1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Der Kaiser selbst rückte durch das Saaletal nordwärts. Die
Vorhut der Preußen ward bei Saalfeld geworfen; der Tod des
hochherzigen Prinzen Louis Ferdinand schlug als ein unheilvolles
Vorzeichen die Zuversicht der Truppen völlig nieder, und mit Ent-
setzen hörten die Offiziere aus den zerstreuten Haufen den Ruf:
„Wir sind versprengt!" Fürst Hohenlohe ging mit seinem preußisch-
sächsischen Korps auf die Hochebene des linken Saaleufers über
Jena zurück, und da ihm verboten war, sich in ein ernstes Gefecht
einzulassen, so versäumte er, die Flußübergänge und die Höhen,
welche das Tal und die Hochfläche überschauten, zu besetzen.
Napoleon bemerkte den Fehler sofort, bemächtigte sich alsbald der
Höhenränder, führte selber nachts, mit der Fackel in der Faust,
das Geschütz die steilen Abhänge hinauf, und als der nebelgraue
Morgen des 14. Oktober anbrach, hielt der Imperator schon den
sichern Sieg in Händen. Wie sollte dieser Bruchteil der preußischen
Armee sich gegen das französische Hauptheer behaupten, das jetzt
mit erdrückender Übermacht von den beherrschenden Höhen aus
den Angriff begann?
Die Franzosen beflügelte das kriegerische Feuer junger, sieg-
gewohnter Führer, die Verbündeten lähmte die Bedachtsamkeit ihrer
hilflosen, alten Stabsoffiziere, und als nun in der frühen Herbst-
nacht der Rückzug gegen Weimar angetreten wurde, da zerrissen
die letzten sittlichen Bande, welche das Heer noch zusammenhielten.
Taub gegen die Mahnungen ungeliebter Führer, dachte der Soldat
nur an sich selber. In einem unförmlichen Klumpen wälzten sich
die Trümmer der Bataillone und Batterien, dazwischen eingekeilt
der unendliche Troß, über die Hochebene dahin; jeder Hornruf
des nachsetzenden Feindes steigerte die Verwirrung, weckte die
gemeine Angst um das Leben. „Das waren Greuel," sagt Gneisenau,
dieser fürchterlichen Nacht gedenkend, „tausendmal lieber sterben,
als das noch einmal erleben!"
Gleichzeitig erfocht Davoust einige Meilen flußab einen ungleich
schwereren Sieg über die preußische Hauptarmee. Er zog auf der
Straße von Naumburg westwärts, um den Preußen den Weg zur
Elbe zu verlegen. Als seine Kolonnen am Morgen des Vierzehnten
soeben aus dem Kösener Engpässe auf die wellige Hochfläche hinauf-
gerückt waren, die bei Auerstedt steil über dem linken Saaleufer
emporsteigt, da stießen die beiden Heere plötzlich im dichten Nebel