1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Kaiser ankamen, wurde dreimal, bei jedem König nur einmal die Trommel
gerührt. Da geschah es denn, daß einmal die Wache, durch das Äußere
des Wagens getäuscht, vor dem König von Württemberg den Trommel-
wirbel wiederholte, der kommandierende Offizier aber zornig Einhalt
gebot mit den Worten: ,,Schweigt, es ist ja nur ein König!"
Jeden Morgen 9 Uhr fanden sich, nur die Könige ausgenommen,
alle anwesenden Fürsten, ihre Minister und die Vornehmsten ihres
Gefolges bei Napoleon ein. Nur die Fürsten und Großwürdenträger
konnten in sein Kabinett eintreten, während die Zurückbleibenden sich
mit den Offizieren und Höflingen begnügen mußten. Besondere Auf-
merksamkeit ward von den anwesenden deutschen Vasallen natürlich keinem
zuteil; Kaiser Alexander war der einzige Gegenstand eifriger Sorge.
Anfangs Oktober wurde der Schauplatz der Festlichkeiten nach
Weimar verlegt. Napoleon hatte den Wunsch geäußert, sich und seine
Gäste hier festlich empfangen zu sehen, und wollte auch dem Zaren
das Schlachtfeld von Jena zeigen. So wurden denn für den 6. und
7. Oktober außer einem Festmahl und einem Hofballe große Jagden
vorbereitet, eine auf Hirsche und Rehe, die andere auf Hasen. Letztere
fand zwischen Apolda und Jena statt, auf der Platte des Landgrafen-
berges, wo Napoleon die Schlacht am 14. Oktober 1806 geleitet hatte.
Es war vielleicht nur Zufall und Ungeschicklichkeit, daß man die festgesetzte
Hasenjagd gerade mit dem von Napoleon gebotenen Besuche des
Schlachtfeldes verband. Aber das geschah schwerlich ohne Absicht, daß
der Sieger von Jena den Prinzen Wilhelm von Preußen einlud, sein
Begleiter zu sein. Das war ja seine Art, sich des Sieges zu freuen.
Wahrscheinlich hat die Brutalität diesmal eine Lebensgefahr von ihm
abgewandt. Am Webicht, dem kleinen Gehölz bei Weimar, warteten auf
raschen Rossen zwei Männer aus Preußen, die unter ihren Mänteln
kurze Gewehre verborgen hatten und entschlossen waren, dem Unter-
drücker Deutschlands ein gewaltsames Ende zu bereiten. Als sie den
Bruder ihres Königs an seiner Seite erblickten, versagte ihr Arm den
Dienst. Gewiß wäre es ewig zu beklagen gewesen, wenn der Gewaltige
auf diese Weise sein Ende gefunden hätte; aber ein bedeutsames Zeichen
der Zeit war es doch, daß sich in dem friedfertigen und geduldigen
Deutschland Mordgedanken regten.
Den Festlichkeiten liefen geräuschlos politische Verhandlungen zur
Seite, in welche nur die beiden Kaiser und ihre nächsten Vertrauten
eingeweiht waren. — Prinz Wilhelm wurde zwar mit Auszeichnung