1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
regiments und die des Gardelandvvehrbataillons, dessen Kommandeur
er so lange gewesen, und diesem Anblick widerstand er nicht.
Ursprünglich hatte er auch während der Handlung, die nun folgen
mußte, an dem Altar stehen bleiben wollen, aber als er jetzt „seine
Fahnen“ sah, da änderte er seinen Entschluß. Er verließ den Altar
und schritt auf jene Stufenbühne zu, denn, so sagte er am 20. Januar
zum Geh. Hofrat Schneider: „Wo meine Fahnen sind, da bin ich
auch.“ Die Fürsten folgten ihm, er ließ sie zuerst hinauftreten,
stellte sich dann mitten unter sie dicht vor seine Fahnen hin, und
hier — umrauscht von den Ruhmesfahnen des siegreichsten aller
Heere, umweht und umwittert von den Geistern großer Zeiten,
großer Menschen und großer Taten, legte der Kaiser und König
Wilhelm sein Kaisergelübde ab. Mit lauter, im entferntesten Winkel
des Saales vernehmbarer Stimme verlas er die Urkunde über die
Verkündung der Wiederherstellung des Deutschen Reichs und die
Annahme der deutschen Kaiserwürde und ließ dann den Grafen
Bismarck die Ansprache verlesen, welche er „an das deutsche Volk“
erließ und in der er sagte: „Wir übernehmen die kaiserliche Würde
in dem Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des
Reichs und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren,
die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft
seines Volkes, zu verteidigen. Wir nehmen sie an in der Hoffnung,
daß dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn seiner
heißen und opfermutigen Kämpfe in dauerndem Frieden und inner-
halb der Grenzen zu genießen, welche dem Vaterlande die seit Jahr-
hunderten entbehrte Sicherheit gegen erneute Angriffe Frankreichs
gewähren. Uns aber und Unsern Nachfolgern an der Kaiserkrone
wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein,
nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und
Gaben des Friedens, auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit
und Gesittung.“ Und dann vernahm er zum erstenmal ein jubelndes
Kaiserhoch. Der Großherzog Friedrich von Baden, selbst einer der
edelsten Pioniere auf dem dornenvollen Wege zum Kaiser und zum
Reich, brachte es aus in den Worten: „Seine Kaiserliche und
Königliche Majestät Kaiser Wilhelm lebe hoch! hoch! hoch!“ Drei-
mal fiel die Versammlung jubelnd in diesen Zuruf ein. Die Helme
wurden geschwenkt, die Arme wie zum Schwur erhoben, die Tränen
der Rührung und der Freude erglänzten in den Augen. Die Fahnen