1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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Hongs auch gemischt. Dann werden ihnen auch, um verschiedene Tee-
sorten zu erzeugen, mancherlei wohlriechende Blüten zugesetzt.
Aus den Händen der chinesischen Teehändler gelangt der Tee in die
Hongs der europäischen Kaufleute in den grotzen Hasenorten, wo er
für den Transport nochmals getrocknet und in Listen, mit Blei gefüttert,
verpackt wird. Der große Haupthafen des chinesischen Tees ist Hankau,
von wo jährlich über hundert Millionen Kilo nach aller Welt verschifft
werden. Hankau liegt 600 englische Meilen den Iang-tse-kiang aufwärts
im Herzen von China, im Mittelpunkt des größten Teegebietes. An
den Ufern der mächtigen, gelben, trüben Wasserfläche des Iang-tse-kiang
wird das Stadtgebiet Hankaus von einem langgestreckten Park mit hohen
Bäumen begrenzt, zwischen deren Kronen einige größere Häuser hervor-
lugen. Dort ist die Residenz der Handvoll Europäer, welche Hankau
zu dem gemacht haben, was es heute ist, zur Hauptstadt des Teehandels.
Hundert Kaukasier haben hingereicht, den Handel von Hunderttausenden
Quadratkilometern Landes mit vielen Millionen Einwohnern zum großen
Teile hierher zu locken. Geradezu unfaßliche Teemengen werden hier
mittelst großer Ozeandampfer nach London, Hamburg, Odessa verladen.
Nach dieser Handvoll europäischer Erde im Herzen von China werden
die ungezählten Tonnen Tee aus dem Stromgebiet des Iang-tse-kiang
zusammengeschleppt. Sie kommen auf den Rücken von chinesischen Kulis
(Lastträgern), auf Maultieren, auf Dschunken und Booten und aus
großen Dampfern. Dorthin reisen im Frühjahr die Teehändler und
Teekoster (Tscharsiehs) von Europa, von Singapore und Schanghai.
Täglich kommen Dampfer an; täglich lichten andere ihre Anker für
ferne Ziele. Während weniger Wochen in jedem Frühjahr herrscht
in Hankau fieberhafte Tätigkeit. Europäische Handelsherren und ihre
Agenten, Koster und Spekulanten, Geldzähler, Kommis und Kulis
arbeiten dann vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein. Die vierund-
zwanzig Stunden des Tages sind ihnen nicht hinreichend. Da wird
gekauft und ausgepackt, gekostet, gemischt und eingepackt, bezahlt und
verladen.
Warum diese Eile, diese angespannte Tätigkeit während so kurzer
Zeit? Die wichtigste Teeernte des Jahres trifft eben dann ein, und die
einzelnen europäischen Teehäuser trachten natürlicherweise, die besten
Sorten zu den niedrigsten Preisen zu erlangen. Dazu muß aber jede
Kiste, jeder Sack geprüft werden, und diese Prüfung ist die wichtigste
Sache des ganzen Teehandels; denn von dem Urteil des Prüfers hängen