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1. (Achtes und neuntes Schuljahr) - S. 352

1913 - Frankfurt am Main : Diesterweg
352 und Hochreliefs geschmückt, daß sie auch irgendeiner europäischen Stadt als Zierde dienen könnten. Sie sind indessen nicht für Verdienste in unserm Sinn errichtet worden; das besagen die Inschriften. Mit dem einen Torbogen feiert ein Chinese das tugendhafte Leben seiner Mutter, mit dem andern die Kenntnisse seines Bruders, der die Provinzialprüfung glänzend bestanden hat; ein dritter Bogen rühmt die Standhaftigkeit einer Witwe gegenüber ihren vielen Freiern usw. Die früher berühmten Industrien der Stadt sind noch heute großenteils erhalten. Ich durchwanderte ausgedehnte Straßennetze, in denen jedes Haus irgendeinen Kaufladen enthält, dessen Waren an Ort und Stelle angefertigt werden. Besonders verdienen die Silber- und Bronzewaren hervorgehoben zu werden. Schmuckgegenstände aus Silber, Fingerringe, Ohrringe, Haarnadeln u. a. zeigen hübsche Filigranarbeit oder erhabne Figuren von feiner Ausführung, wie ich sie sonst in China nur in Kanton gesehen habe. Die Opiumlampen, Kerzenständer und Öllampen aus Bronze sind mit der zartesten durchbrochnen Arbeit in hübscher Zeichnung geschmückt. Hier werden metallne Pfeifenköpfe, dort hölzerne Pfeifenrohre für Tabak oder Opium gedreht, Gegenstände der ver- schiedensten Art gegossen, gehämmert, gefeilt, geschnitzt, alles mit urwüchsigen Werkzeugen, die ebenfalls in Kiautschou hergestellt werden. Eisen und Stahl wird über Schanghai von Europa geliefert; daraus werden hier Feilen, Hobelmesser und Bohrer gemacht, dazu alle mög- lichen Ackerbaugeräte u. a. Europäische Waren traf ich in den vielen Basaren nur sehr wenig; ich bin jedoch überzeugt, daß sich in Kiautschou schon in den nächsten Jahren ein ansehnlicher Markt für deutsche Waren finden wird; denn die Stadt, obschon nicht mehr Hafen, ist doch der Mittelpunkt eines sehr ausgedehnten, ungemein fruchtbaren Ackerbau- gebiets. Die schönsten Gebäude der Stadt sind die Tempel, vor allen jener, der dem Gott des Kriegs, Kwangtai, geweiht ist. Im Schatten hoher, alter Zypressen thront dort in einem hübschen Saalbau mit wunderlich geschwungenen Dächern der alte Götze, eine riesige Holzfigur in seltsamen, buntbemalten Gewändern. Auf dem Altar vor ihm stehen Opfergefäße aus Bronze, Kerzenständer, Trommeln und Glocken, die von den Betenden angeschlagen werden, um den alten Kriegsgott aus dem Schlaf zu wecken. Eine dieser Glocken zeigte alte erhabne Inschriften, und ich bot dem mich umherführenden Oberbonzen einen Silberdollar dafür. Freudig schlug er in den Handel ein, und die Glocke war mein.
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