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1. (Achtes und neuntes Schuljahr) - S. 371

1913 - Frankfurt am Main : Diesterweg
371 154. Die Karawane. Nach Hermann Masius. Es ist Mitternacht vorüber; der erste, fahle Schein des Morgens streicht über den Himmel. Dunkle, plumpe Masten lagern, Felsblöcken gleich, im Sande; es sind die Kamele der großen Handelskarawane. Zwischen ihnen schleichen in langen Mänteln Beduinen umher, den Tieren die Fußgelenke zu entfesseln; denn die Stunde des Aufbruchs ist gekommen. Alle kostbaren Erzeugnisse der Natur und der Menschenhand liegen hier in Ballen und Listen aufgestapelt: Seide aus Indien, Schals von Angora, Samt aus Brussa, Baumwollengewebe von Mosul, damas- zenische Säbel, persische Dolche, arabische Lanzen, Straußfedern vom Kap und indisches Elfenbein, Perlen von Bahrein, duftende Öle, Gummi, Weihrauch und Myrrhen, Granatäpfel, Datteln, Schnee vom Atlas für eines Paschas Keller. Alle diese Seltenheiten liegen hier beieinander vereint, und die Kamele tragen sie vom Senegal nach Mogador, von Bagdad nach Mekka, von Dschidda nach Kairo, von Timbuktu nach Alerandrien. Jedem einzelnen Tier wird eine Last von vier bis sechs Zentnern aufgelegt, die in dem hölzernen Sattelgerüst, mit welchem der Höcker umzäunt ist, ihren Hauptschwerpunkt hat. Nach zwei Stunden ist die Karawane gerüstet. Das Signal zum Aufbruch wird gegeben und ein Kamel hinter das andere gebunden; je zehn bis zwanzig zu einer Kette vereinigt, setzen sich die Hunderte von Tieren allgemach in Bewegung, bis der ganze Zug in einer unabseh- baren, staubaufwirbelnden Linie sich ausbreitet. Voran reitet auf einem Maulesel der Führer der Karawane, ein hagerer Araber, die lange Flinte über der Schulter. Den Kamelen zur Seite gehen die Treiber; es sind athletische, schweigsame Neger oder redefertige Söhne der Wüste. Auf dem Rücken der Lasttiere sitzt der Kaufherr, die Hand wachsam an Dolch und Säbel gelegt, — sitzt der Pilger, den ein frommes Gelübde zur Kaaba treibt, — der phlegmatische Türke in hohem Fes, — der Franke, der unbeholfen hin und her schwankt, — sitzen weiterhin, in korbartigen Stühlen geborgen, je zwei auf einem Kamel, verschleierte, neugierig-kluge Weiber. Um den Zug aber schwärmt aus kleinen, sehnigen Pferden oder hoch auf kleinen Dromedaren die Schar der Beduinen, welcher das Geleit der Karawane obliegt. Ein weißbärtiger Scheich führt sie an; immer tummeln sie sich, schießen hierhin und dorthin, lauschend, lachend; die Federbüschel ihrer langen Lanzen, ihr weißer, faltenreicher Burnus, ihr schwarzes Haar flattert im Winde. 24*
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