1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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meter vom Lager entfernt, auf seiner etwa 6 Kilometer breiten
Grundfläche noch 1680 Meter über ihrem Standpunkt aufgetürmt.
7 Uhr 20 Minuten standen sie endlich auf dem Rücken der Bergrippe,
die sie sich als geeignetsten Aufstiegsweg ausersehen hatten, und
begannen keuchend über festen Fels und losen Schutt hinweg der
steilen Erhebung des Kammes zum Eis hinan zu folgen. Alle zehn
Minuten mußten sie ein paar Augenblicke Stehenbleiben, um den
Lungen und dem Herzschlag eine kurze Beruhigung zu gönnen.
Denn sie befanden sich längst über Montblanc-Höhe, und die zu-
nehmende Luftdünne machte sich allmählich fühlbar. 9 Uhr
50 Minuten langten sie an der untern Grenze des geschlossenen
Kiboeises 5480 Meter hoch an. Da die Eiskuppe sofort unter 35 Grad
Neigung emporsteigt, war ihr ohne Eispickel durchaus nicht bei-
zukommen. So suchten sie die Schneebrillen hervor, zogen den
Schleier über das Gesicht und banden das Gletscherseil um den
Leib. Um V211 Uhr begann die schwierige Arbeit des Stufenbarrens.
In dem glasharten, im Bruch wasserhell glänzenden Eis erforderte
jede Stufe an zwanzig Pickelhiebe. Langsam ging es an der glatten
Wand aufwärts, anfänglich wegen ihrer fürchterlichen Steilheit schräg
nach rechts hinauf, dann gerade auf den Gipfel zu. 12 Uhr
20 Minuten standen sie unter der letzten, steilen Erhebung des Eis-
hanges in 5700 Meter Höhe. Obwohl die Temperatur nur wenig
über 0 Grad Celsius schwankte, wirkte doch der Sonnenreflex vom
Eis durch Brille und Schleier so stark schmerzhaft hindurch, daß
sich ihnen später die Haut von Hals und Gesicht ablöste und Meyers
Augen tagelang der dunkelblauen Schutzbrille bedurften. „Das Er-
scheinen einiger leichter Nebelwölkchen in unserer Höhe schreckte
uns auf; beim Weitersteigen empfanden wir aber die Atemnot so
stark, daß wir alle fünfzig Schritt einige Sekunden stehen bleiben
mußten, um weit vornübergeneigt nach Luft zu röcheln. Die Eis-
oberfläche wird nun zusehends zerfressener. Da wir oft bis an
die Brust einbrachen, nahmen unsere Kräfte in besorgniserregender
Schnelligkeit ab, und immer noch dehnte sich die Wand unabsehbar,
und der oberste Eisgrat wollte nicht näher kommen. ,Vorwärts/
rief ich zur Selbstanfeuerung aus, ,der Berg muß doch einmal ein
Ende haben/ Endlich gegen 2 Uhr näherten wir uns dem höchsten
Rand. Noch ein halbes Hundert mühevoller Schritte in äußerst
gespannter Erwartung, da tat sich vor uns die Erde auf, das Ge-