1913 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
wird jetzt mit großen Opfern vollendet. Auf dem 700 geographische
Meilen langen Eisenpfade von Neuyork bis San Francisco durcheilt
die Lokomotive in 6—7 Tagen einen Weg, der länger ist, als der
von Neuyork nach England. Der menschenbeschwerte Dampfzug
durchrast die endlos scheinenden Prärien, wo ehemals der Büffel
hauste, die dichten Urwälder, in denen der Indianer jagte, übersteigt
Höhen von 2500 Metern, wo die Lawinen herniederdonnern und
meilenlange Schneedächer zum Schutze errichtet worden sind, über-
fliegt auf kühnen, turmhohen Brücken reißende Ströme und
unzugängliche Abgründe. Die Stationen wachsen mit Riesenschritten
zu großen Städten empor, und das Land rechts und links verwandelt
sich wie durch Zauber in fruchttragende Felder.
Immer mehr tritt die Bedeutung dieser Bahn für den Welt-
handel hervor. China, Japan, Indien und Australien mit ihren reichen
Hilfsquellen sind in einem großartigen Aufschwünge begriffen. Ihr
Handel mit Tee und Seide nimmt schon jetzt teilweise seinen Weg
über die Pacificbahn. Die Dampferfahrten nach Japan via San
Francisco mehren sich beständig. Reisende nehmen nun vielfach
den Westweg nach Ostasien und nicht den Weg über Suez; denn
der erstere hält sich in milden Klimaten, während der letztere durch
die heißesten Gegenden der Erde führt. Da die deutschen Post-
dampfer die Fahrt über den Atlantischen Ozean in der Regel in
10—12 Tagen vollbringen, so können wir jetzt schon in 16—18 Tagen
an der Küste des Stillen Ozeans sein, nachdem wir ein Weltmeer
und einen Weltteil durcheilt haben. Nehmen wir von San Francisco
aus die Dampferlinie über Yokohama in Japan, Honkong in China,
Indien, Aden, Suez, so können wir recht gut in 80 Tagen rund um
die Erde reisen.
So muß sich denn der alte Erdball gefallen lassen, daß die
ameisenhaft auf ihm wirtschaftenden kleinen Menschen ihn mehr
und mehr nach ihrem Gefallen und Bedarf zurichten, ihn in eiserne
Bande schlagen und mit eisernen Drähten überspinnen, Landengen
durchschneiden, Felsengebirge durchbrechen und die Hemmnisse
des Raumes und der Zeit immer mehr überwinden. „Füllet die
Erde und machet sie euch untertan!" lautet des Schöpfers Wort;
und wenn auch das Trachten nach Vorteil fast immer die Haupt-
triebfeder menschlicher Unternehmungen ist, so findet doch dabei
auch die Wissenschaft ihre Förderung und hoffentlich auch die Gesittung.