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1. (Achtes und neuntes Schuljahr) - S. 493

1913 - Frankfurt am Main : Diesterweg
°>5> ®^> 493 lichkeit, mir den Betrieb zu zeigen. Zuerst führte er mich in die Tischlerei, wo die Holzarbeit 'besorgt wurde. Die dort beschäftigten Leute waren gelernte Tischler, die mit der Bearbeitung des Holzes gründlich vertraut waren und nun, nachdem sie sich jahrelang nur der Bürstensabrikation zugewandt hatten, eine ganz besondere Fertigkeit in diesem Arbeitszweige erreicht hatten. Aus der Tischlerei wanderte die Ware zur Bohrmaschine, die mit Dampf getrieben und stets von denselben Arbeitern bedient wurde. Auch diese Leute hatten bereits eine große Sicherheit in ihrer Arbeit erreicht. Jetzt wurde ich in einen großen Arbeitsraum geführt, in dem Frauen und Mädchen die Borsten sortierten. Aus großen Haufen suchten sie die feinen und groben, die weißen und schwarzen Haare heraus und legten die gleichartigen in Häufchen vor sich auf Tische. Von da wanderten sie weiter, um in wohl noch 20 Unterabteilungen sortiert zu werden. Diese Arbeit wurde ebenfalls von weiblichen Arbeitern ausgeführt; denn es gehörten ja nur flinke Hände und scharfe Augen dazu, und die haben die Frauen. Der nächste Raum beherbergte die eigentliche Bürsten- binderei, in der die Borsten eingesetzt wurden. Aber auch hier verfertigte nicht jeder Arbeiter alle Bürstensorten; sondern es waren Abteilungen gebildet für die groben, mittleren, feinen und feinsten Sorten, und jeder Abteilung waren dafür besonders geschickte Arbeiter zugewiesen. Diese blieben meistens dauernd in ihrer Abteilung und nur, wenn man merkte, daß ein Arbeiter an Geschicklichkeit zu- oder abnahm, versetzte man ihn in eine andere. Aber auch in der Binderei wurden viele Bürsten noch nicht ganz fertig, sondern ein großer Teil ging noch einmal in die Tischlerei zurück, wo die Oberblätter aufgeleimt, verschraubt und die Politur vervollständigt wurde. Als ich später wieder einmal zu dem alten Bürstenbinder kam, schilderte ich ihm, was ich in der Fabrik gesehen hatte. „Es ist kein Wunder," sagte der alte Meister nachdenklich, „daß ich mit denen nicht mehr mitkommen kann; denn eine solch geschickte Arbeitsteilung ist in meiner Werkstatt gar nicht ausführbar, weil ein Handwerker so viele Gehilfen gar nicht haben kann. Ich muß eben alle Arbeit selber machen, und deshalb geht sie nicht so schnell vonstatten. Ich glaube wohl nicht, daß meine Bürsten schlechter sind, als die in der Fabrik hergestellten; aber ihre Herstellung kostet mich weit mehr, und da ich sie zu gleich niedrigem Preise verkaufen muß, so verdiene ich weniger daran als der Fabrikant. Das ist der Grund, weshalb ich und so mancher Handwerker heute nicht mehr vorwärts kommen kann."
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