1911 -
Hannover [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Koch, Hermann
- Hrsg.: Kappey, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Volksschule, Mittelschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Mittelschule, Gehobene evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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des Bistums erfüllt war. Und diesem Bischof, der als der Ratgeber zweier
Kaiser, als Künstler und Priester vielleicht der hervorragendste aller deutschen
Kirchenfürsten gewesen ist, dankt die Stadt noch heute außerordentlich viel.
2. Der hervorragende Mann entstammte einem edlen niedersächsischen
Geschlecht und trug alle Züge seines Volksstammes in scharfer Ausprägung
an sich: den strengen und unbeugsamen Sinn neben kindlicher, demütiger
Frömmigkeit, den ernsten und rastlosen Fleiß, die zähe Beharrlichkeit in
der Verfolgung des gesteckten Ziels. Dazu gesellten sich hohe Gaben und
eine glückliche Fügung der Verhältnisse seiner Zeit. Der Jugend ist das
Leben Bernwards geradezu ein leuchtendes Vorbild. Schon als Knabe
zeigte Bernward den ernsten Trieb, durch Wissen und Können Freude zu
bereiten; ja er war der Stolz und die Freude seiner Eltern und Lehrer.
Als Jüngling vertiefte und erweiterte er durch die Beschäftignug mit den
Wissenschaften seine Bildung. Da machte er sich auch in den Domwerk-
stätten zu schassen, die schon geschickte und im Kunsthandwerk erprobte
Arbeiter aufzuweisen hatten; dort lernte er die Kunstgriffe der Goldschmiede
und Erzgießer, der Architekten und Steinhauer, der Schreiber und Miniatur-
maler; und aller Künste Meister wurde er in dem goldenen Mainz, wo
er seine Studien vollendete, wo er auch von Willigis, dem Erzkanzler des
Reiches, die höheren Weihen empsing.
3. Unter den vielen Werken Bernwards erregen die Bronzearbeiten,
die Erztüren und die Christussünle im Dom unsere höchste Bewunderung.
Eine Bilderbibel in Erz waren sie dem des Lesens unkundigen Volke;
wir aber staunen heute über die Kunst des Meisters, die in einem Lande,
wo man damals von Erzguß so viel wie nichts verstand, so Großes schuf.
Das goldene Bernwardskreuz in der Magdaleuenkirche, dieses herrliche
Stück der Goldschmiedekunst, mit seinen 230 Edelsteinen zeigt, wie des
Bischofs Fingern auch die zartesten Goldfäden gehorchten. Der Entwurf
des großen Radleuchters im Dom, der ein Bild des himmlischen Jerusalems
darstellen soll, stammt ebenfalls von Bernward. Und großartige Bauwerke
hat er dazu aufgeführt, von denen die prächtige Michaeliskirche auf uns
gekommen ist. In der Krypta derselben wollte er nach seinem Tode aus-
ruhen; da steht in der Gruft noch heute der von dem Bischof selbst gemeißelte
Sarg, der mit Engelsköpfen geschmückt ist und die Inschrift trägt: „Ich
weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird mich hernach aus der Erde
auferwecken." Am Kopsende steht: „Bernward, Bischof, Knecht der Knechte
Christi."
4. Unter weiteren kunstsinnigen Bischöfen, namentlich Godehard, Hezilo
und Bernhard, ist der Ruf der niedersüchsischen Residenz gesteigert worden;
aber auch in Hildesheim klopfte die nervige Faust des Bürgertums an
die Tore, und es fand Eingang mit seiner Gefolgschaft, mit Handel und
Verkehr. Das Rathaus wurde gebaut, und vor demselben erhob sich ein