1911 -
Hannover [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Koch, Hermann
- Hrsg.: Kappey, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Volksschule, Mittelschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Mittelschule, Gehobene evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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nein, den ganzen Sonntag lang. Sogar die jungen, lebenslustigen
Burschen kommen nur zum Vorschein, um zu essen. Die halbwüchsigen
Jungen und Mädchen lausen nicht zum Spiel. Sie liegen und schlafen.
Die ganze Kolonie schläft. Stille um alle Gehöfte, nur die Fliegen
summen, die Kühe brüllen. Mit dem ersten Morgengrauen am Montag
beginnt die Arbeit von neuem und Tag für Tag, Woche für Woche,
bis Johannistag.
5. Wer einen der schwarzen, wie ein Ziegelstein geformten Torfe
in der Hand hält, ahnt nicht die Mühe, die seine Gewinnung kostet.
Denn dieser Torf liegt nicht an der Oberfläche wie der lockere Torf
der Geest. Häufig deckt ihn fußhohes Wasser. Auf einer Leiter muß
man zu ihm hinuntersteigen, bis zu den Hüften im schlammigen Tüm-
pel stehend, ihn losstechen, loshacken, ausgraben zwischen den wunder-
lich verschlungenen Wurzelballen vorzeitlicher Bäume. Wer unten steht,
schleudert die triefende, schwarze Masse auf den Uferrand des Torf-
lochs, ein anderer schaufelt sie in einen niedrigen vierrädrigen Karren,
ein dritter fährt den Karren dorthin, wo der Torf gebacken wird.
Die Karren laufen auf Holzschienen. Der weiche Moorboden würde
sonst ihr Gewicht nicht tragen. Der Zubereitungsort ist eine ganz
ebene Fläche von 50—100 Meter im Geviert, möglichst nahe dem
Torfstich. Dorthin laufen die Schienen, dort entleert der Führer den
Wagen, indem er ihn nach der Seite umkippt. Schon erwarten ihn
die Frauen in ihren dunklen Röcken, mit den hellen Schürzen, ans dem
Kopf die luftigen über ein Gestell gespannten Kopftücher, die sie bei
der Feldarbeit als Sonnenschutz tragen, an den Füßen die festen Holz-
schuhe, ohne die nicht Mann noch Weib im feuchten Moor anskommt.
Mit weitzinkigen Gabeln fassen sie die Torfmasse, zerren sie aus-
einander, breiten sie längs der Schienen zu einer ebenmäßigen, nicht
zu hohen Schicht aus. Das ist Frauenarbeit. Dann kommen Männer
heran, kräftige junge Männer mit ungewöhnlich großen Holzschuhen,
den „Holschen" angetan, steigen auf die ausgebreitete Torfmasse, und
indem sie darauf hin- und herspringen und stampfen, zertreten sie sie
zu einem dickflüssigen Brei, der sogleich über die ganze zum Torf-
machen bestimmte Fläche geharkt und gekratzt wird. Immer neuer
Torf wird ausgestochen, herbeigefahren, zertreten und über den ersten
gebreitet, bis der schwarze Schlamm den Boden über fußhoch bedeckt.
Dann beginnen alle, die torfstechenden Männer, die Weiber, die Kinder
in den mächtigen Holschen auf der weichen Masse wie auf einer Schlitt-
schuhbahn munter umherzulaufen und zu gleiten, um durch rüstiges
Treten und Schwingen sie noch einmal gründlich durchzukneten. Wie
ein lustiger Tanz nimmt sich dies aus und ist auch wohl des Torf-
stechens lustigster Teil. Die Burschen schlagen die Arme unter, geben