1911 -
Hannover [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Koch, Hermann
- Hrsg.: Kappey, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Volksschule, Mittelschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Mittelschule, Gehobene evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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ringerung des Wohlstandes ihres Dorfes hatten sie am meisten zu leiden.
Die Mehrzahl von ihnen verdient das Zeugnis, daß sie alle diese Gefahren
als echte Streiter Christi ertrugen. Die meisten hielten bei ihren Ge-
meinden aus bis zum letzten Mann. Ihre Kirche wurde verwüstet und
ausgebrannt, Kelch und Kruzifix wurden gestohlen, die Glocken vom Turm
geworfen und weggeführt. Da hielten sie den Gottesdienst in einer
Scheuer, auf freiem Felde, im grünen Waldversteck. Häufig waren sie
die ersten, welche von der Verwilderung der Dorfbewohner zu leiden
hatten; Diebstahl und frecher Mutwille wurden am liebsten gegen solche
geübt, deren zürnender Blick und feierliche Klage früher den meisten Ein-
druck gemacht hatten. Ihre Schicksale sind daher vorzugsweise kenn-
zeichnend für jene eifernen Jahre, und gerade von ihnen besitzen wir die
meisten Aufzeichnungen aus jener eisernen Zeil, oft in Kirchenbüchern,
denen sie ihr Leid klagten, während kein Mensch sie hören wollte.
Gustav Freytag.
259. Der Grotze Kurfürst und der französische Gesandte.
1. Eines Morgens hatte Friedrich Wilhelm auf der Jagd im Grune-
walde durch einen Eilboten die Nachricht erhalten, daß ein großer Zug
französischer Hugenotten in Berlin eingetroffen sei, um des Kurfürsten
Schutz anzuflehen, und daß der französische Gesandte gegen das Verbleiben
der Flüchtlinge Einspruch erhoben habe. Eiligst kehrte der Kurfürst nach
Berlin zurück. Kaum hatte er sich umgekleidet, so erschien der Gesandte,
Herr von Rebenac, und bat dringend um eine Unterredung. Der Kurfürst
erklärte sich bereit, ihn sofort zu empfangen. Bei seinem Eintritt in den
Empfangssaal grüßte ihn der Gesandte mit zierlicher Verbeugung.
2. „Sie kommen zu außergewöhnlicher Stunde, Herr Marquis,"
redete er den Gesandten an; „ich muß daher wohl annehmen, daß ein
besonderer Auftrag Ihres Königs Sie hierherführt."
„Die Weisheit Euer Durchlaucht hat, wie immer, das Richtige ge-
troffen," entgegnete Rebenac. „Seine Majestät König Ludwig Xiv. haben
mir Befehl erteilt, eine Unterredung bei Euer Duchlaucht nachzusuchen."
„Sie ist Ihnen bewilligt."
„Durchlaucht," nahm Rebenac das Wort, „mein Herr hat es für-
notwendig gehalten, jene Verordnung aufzuheben, die sein Vorfahr dereinst
zu Nantes zum Besten der Hugenotten erließ. Von dem Tage an suchten
diese Schutz in Deutschland, Holland und vor allem bei Euer Durchlaucht.
Massenhafte Auswanderungen fanden statt. Dieses Aufgeben des Vater-
landes ist wider meines Herrn Willen. Böte sich den aufrührerischen
Untertanen keine neue Heimat dar, sie würden sich geduldig dem neuen
Gesetze fügen. Aber die Aussicht auf den Schutz Euer Durchlaucht macht
die Leute kühn, und so wagen sie es, teils offen, teils heimlich Frankreich