1911 -
Hannover [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Koch, Hermann
- Hrsg.: Kappey, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Volksschule, Mittelschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Evangelische Mittelschule, Gehobene evangelische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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in ein warmes Zimmer geführt, so drängten sie mit Gewalt an den
heißen Ofen, als wollten sie hineinkriechen; vergebens bemühten sich
mitleidige Hansfrauen, sie von der verderblichen Glut zurückzuhalten.
7. Gierig verschlangen sie das trockene Brot; einzelne vermochten
nicht aufzuhören, bis sie starben. Bis nach der Schlacht bei Leipzig
lebte im Volke der Glaube, daß sie vom Himmel mit ewigem Hunger
gestraft seien. Noch dort geschah es, daß Gefangene in der Nähe
ihres Lazaretts sich die Stücke toter Pferde brieten, obgleich sie
bereits regelmäßige Lazarettkost erhielten; noch damals behaupteten
die Bürger, das sei ein Hunger von Gott; einst hätten sie die schön-
sten Weizengarben ins Lagerfeuer geworfen, hätten gutes Brot aus-
gehöhlt, verunreinigt und auf dem Boden gekollert; jetzt seien sie
verdammt, durch keine Menschenkost gesättigt zu werden.
8. Überall in den Städten der Heerstraße wurden für die Heim-
kehrenden Lazarette eingerichtet, und sogleich waren alle Kranken-
stuben überfüllt, giftige Fieber verzehrten dort die letzte Lebenskraft
der Unglücklichen. Ungezählt sind die Leichen, welche heraus-
getragen wurden; auch der Bürger mußte sich hüten, daß die Anstek-
kung nicht in sein Haus drang. Wer von den Fremden vermochte,
schlich deshalb nach notdürftiger Buhe müde und hoffnungslos der
Heimat zu. Die Buben auf der Straße aber sangen:
„Ritter ohne Schwert,
Reiter ohne Pferd,
Flüchtling ohne Schuh’,
nirgend Rast und Ruh’ —
so hat sie Gott geschlagen
mit Mann und Roß und Wagen!“
Und hinter den Flüchtigen gellte der höhnende Ruf: „Die Kosaken
sind da!“ Dann kam in die flüchtige Masse eine Bewegung des
Schreckens, und schneller wankten sie zum Tore hinaus.
Gustav Freytag.
270. Aufruf Friedrich Wilhelms Iii.
An mein Volk.
So wenig für mein treues Volk als für Deutsche bedarf es einer
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt; klar
liegen sie dem unverblendeten Europa vor Augen. Wir erlagen unter
der Übermacht Frankreichs. Der Friede, der die Hälfte meiner Untertanen
mir entriß, gab uns feine Segnungen nicht; denn er schlug uns tiefere
Wunden als selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward ausgefogen.
Die Hauptfestungen blieben vom Feinde besetzt; der Ackerbau ward gelähmt,