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1. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 204

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
204 Und da geht es nun an den zweiten Teil des schädlichen Tage- werkes, das er dort unten schon mit seinen Genossen getrieben hat. Früher hat er Gras und Wurzeln vernichtet, jetzt sieht er sich nach anderer Speise um. Die Bäume mit ihren Wipfeln und Blättern, die Büsche mit ihren Knospen und Blüten sind sein Ziel. Wie ein nagender Herrscher ziehen er und sein Volk von Wipfel zu Wipfel, von Busch zu Busch. Nicht ein Zweig bleibt unberührt, kein Blatt verschont. Wo sich das Volk zu Gaste geladen, da geht die Verwüstung auf seiner Spur, da ist Frühlingsblüte und Ernte vorüber. Tag und Nacht geht das nun fort. Und des Mittags, wenn die glühenden Sonnenstrahlen fallen, dann ruht das gefräßige Volk, dann ducken sie hinter den grünen Blättern nieder und verträumen die heiße Mittagszeit. Tritt rauhes, böses Wetter ein, dann beschleicht mattes Empfinden und trüber Sinn die sonst so beweglichen Leute. Scheu ver- bergen sie sich vor jedem kalten Luftzug, vor jedem schweren Regen- tropfen, und wie Todesahnung schleicht es in ihre Brust hinein. 3. Aber das ist alles vorüber, wenn die ersten warmen Lüfte wehen. Wieder gehört die Welt dem Maikäfer und seinem Gefolge, wieder fliegt er vergnügt und stolz von Baum zu Baum, wieder hält er erschreckende Ernte, wieder summt sorglos er sein Abendlied. So gehen Wochen hin. Von den Bäumen sind Millionen Blätter verschwunden, abgefallen, dürr und abgenagt. Aber auch aus der Zahl der Maiküfergenossen fehlen viele, heute mehr als gestern, und morgen noch mehr. Die Fledermaus, das Käuzchen und wie sie alle heißen, die Tag und Nacht die Bäume und Büsche umfliegen, haben die Zahl des Volkes dünner gemacht. Aber sie selbst, die braunen Burschen, sind anders, als sie früher waren. Schwerfälliger, langsamer geht der Flug. Dort liegt einer am Boden und da einer, der die Flügel nimmer rührt. Das ist für unsern Mai- käfer ein trauriger Anblick. Ja, bald sind sie alle fort. Er ist allein und müde. Der feine, weiße Flaum an seinem braunen Röckchen ist abgetan, an den Flügeln abge- nützt und abgerieben, die Schwingen heben sich schwer und träge. Da sitzt er draußen auf dem Zweige des Ahombaumes und schaut in das Tal hinaus. Die ganze Natur ist noch in Wunderpracht und Herrlich- keit, der Sommer mit seinem Blumenglanze liegt über den Wiesen, die Lüfte sind mild, die Nächte sternenhell. Alles erblüht, nur er muß zur Ruhe, sein Leben ist abgetan. Wo sind sie denn alle, die Genossen seiner Freude? Sind sie denn alle fort, oder sind alle drüben in dem anderen Baum? Er hebt die schweren Flügeldecken. Noch einen Flug will er machen, sie aufsuchen, die ihn verlassen haben. Er hebt und senkt die Schwingen, er atmet
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