1912 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Steger, August, Wohlrabe, Wilhelm, Warncke, K.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
359
Während in der frühsten Zeit die Kaffeebohnen roh in den Ge-
‘Urauch genommen wurden, ging man bald dazu über, den Kaffee zu
rösten, d. h. einer Temperatur von 200 bis 250 Grad auszusetzen.
Erst durch das Rösten entwickelt der Kaffee bekanntlich die fein-
schmeckenden und duftenden brenzlichen und aromatischen Stoffe,
nach deren Feinheit er im Handel bewertet wird. Bei diesem Röst-
prozeß erleidet der Kaffee indes gewisse Änderungen in seiner chemi-
schen Zusammensetzung.
Wir genießen den Kaffee in Form des heißen, wässerigen Aus-
zuges der gerösteten Bohnen. In diesen Auszug gehen eine Menge
löslicher Stoffe hinein, vor allem auch leicht das Koffein.
4. Die Wirkung, die der Kaffeeauszng oder Kaffeeaufguß auf
uns übt, ist bekannt: Gehirn und Nerven werden erregt, das Hunger-
gefühl beseitigt, der Schlaf verscheucht. Das Koffein ist in etwas
größerer Menge schon ein ziemlich starkes Gift. Daher kommt es,
daß starker Kaffee, in großem Mengen genossen, beim Menschen
Vergiftungserscheinungen hervorrufen kann: Herzklopfen, Blutwallun-
gen, Angstgefühl, Muskelzittern usw.
Ein mäßiger Kaffeegenuß regt das Denken und den Verstand an,
beseitigt die körperliche und geistige Abspannung und erheitert bis
zu einem gewissen Grade das Gemüt. Diese anregende Wirkung be-
ruht indessen nicht auf einer Zufuhr von Ernährungs- und Kraft-
stoffen zum Gehirn. Der Kaffee ist bloß ein Reizmittel, eine Peitsche
wie der Alkohol, aber dem letztem deswegen weit überlegen, weil er
nicht so wie dieser zu unmäßigem Genusse verführt, nicht so schädi-
gend wirkt. Vor allem pflegt der Rückschlag, die Erschlaffung, die
nach dem Alkoholgenuß stets eintritt, fast ganz beim Kaffeegenuß aus-
zubleiben.
Trotzdem eignet sich der Kaffeegenuß mehr für nervenstarke,
ruhige und kräftige als für reizbare, nervenschwache und wenig wider-
standsfähige Naturen.
Für Kinder ist der Kaffeegenuß nicht dienlich, da er auf das
Blutgefäßsystem einen starken Einfluß zu haben scheint.
5. Es ist eine im Publikum noch immer weitverbreitete Ansicht,
daß der Kaffee einen gewissen Nährwert besitze oder wenigstens den
Stoffwechsel so beeinflusse, daß er als Sparmittel dienen kann. Beide
Auffassungen sind falsch. Sie sind im Publikum wohl hauptsächlich
dadurch entstanden, daß der Kaffeegenuß das Gefühl der Nüchternheit
und des Hungers beseitigt.
Die Wirkung auf den menschlichen Körper beruht nicht nur auf der
Koffeinwirkung, sondern auch auf dem Einfluß mehrerer in ihm ent-
haltener Stoffe, welche im einzelnen zu betrachten hier zu weit führen