1911 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Porger, Gustav, Wolff, Karl
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Knabenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
- Geschlecht (WdK): Jungen
China, im Mittelpunkt des größten Teedistriktes und hat wohl mit den
es umlagernden Städten eine Bevölkerung von weit über eine Million.
Als ich im Mai 1894 meine Reise von Schanghai den gewaltigen
Strom auswärts unternahm, waren meine Mitpassagiere durchweg nach
Hankau gebucht. Die Warenballen, welche ans den Docks in Schanghai
verladen wurden, gingen nach Hankau, alles sprach nur von Hankau.
Was Schanghai für das ganze chinesische Reich ist, das ist Hankau für
das Innere desselben. Schanghai liegt am Ende, Hankau am Anfang
des Dampferverkehrs ans dem chinesischen Riesenstrom. An den Ufern der
mächtigen gelben, trüben Wasserfläche des Jangtsekiang liegt ein lang-
gestreckter Park mit hohen Bäumen, zwischen deren Kronen ein paar
größere Häuser hervorlugen. Das ist die europäische „Konzession", die
Residenz der Handvoll Europäer, welche Hankau zu dem gemacht haben,
was es heute ist, zur Metropole des Teehandels. Hundert Kaukasier
haben hingereicht, den Handel von Hunderttausenden Quadratkilometern
Landes mit vielen Millionen Einwohnern zum großen Teile hierher zu
locken. In den Häusern des schönen Parks am Jangtsekiang ist der Sitz
dieses so ausgebreiteten Geschäftsverkehrs im Innern von China, und nach
dieser Handvoll europäischer Erde im Herzen von China werden die un-
gezählten Tonnen Tee aus dem Stromgebiet des Jangtsekiang zusammen-
geschleppt. Sie kommen auf den Rücken von chinesischen Lastträgern, auf
Maultieren, auf grotesken Dschunken und Booten und ans großen
europäischen Dampfern. — Hierhin reisen im Frühjahr die Teehändler
und Teekoster von Europa, von Singapore und Schanghai; täglich kommen
Dampfer an, täglich lichten andere ihre Anker für ferne Ziele. Während
weniger Wochen in jedem Frühjahr herrscht in Hankau fieberhafte Tätig-
keit. Europäische Handelsherren und ihre Agenten, Koster und Speku-
lanten, chinesische Geschäftsleiter, Geldzühler, Kommis und Lastträger
arbeiten dann von früher Morgendämmerung bis in die Nacht hinein.
Die viernndzwanzig Stunden des Tages sind ihnen nicht hinreichend. Da
wird gekauft und ansgepackt, gekostet, gemischt und eingepackt, bezahlt und
verladen —- alles nur Tee. Und kaum sind die Schifisbänche voll von
ungezählten Kisten, so werden die Anker gelichtet. — Das geht so, wie
gesagt, während einiger Wochen im Jahre — etwa von Anfang Mai bis
Anfang Juni. Dann wird es wieder still in Hankau.
Warum diese Eile? Warum diese angespannte Tätigkeit während so
kurzer Zeit? — Die wichtigste Teeernte des Jahres trifft eben dann ein,
und die einzelnen europäischen Teehäuser trachten natürlicherweise, die
besten Sorten zu den niedrigsten Preisen zu ergattern. Dazu muß aber
jede Kiste, jeder Sack geprüft werden, und diese Prüfung ist die wichtigste
Sache des ganzen Teehandels, denn von dem Urteil des Prüfers hängen
mitunter Summen von mehreren Tausenden Pfund Sterling ab. Tausende
von Kisten werden der Reihe nach von flinken Lastträgern geöffnet, der