1911 -
: Crüwell
- Autor: Wolffgarten, Hilar, Herold, Heinrich, Stephan, Reinke, Herold, Theodor
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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ins Lächerliche ziehen wollen. Vernünftiger Ernst ist immer
angenehmer als törichte und gemachte Lustigkeit.
Maßhalten soll man nicht nur mit Lachen, sondern auch
beim Lachen. Gewiß darf man ruhig von ganzem Herzen sich
der Heiterkeit hingeben, es schadet gar nichts, wenn man auch
einmal Tränen lacht; aber ausgelassen und maßlos soll das
Lachen niemals sein. Ein wildes, wieherndes Gelächter macht
schon äußerlich einen unangenehmen Eindruck und ist zugleich
ein Beweis, daß die Selbstbeherrschung fehlt. Auch in Lust
und Fröhlichkeit muß man sich in der Gewalt behalten. Wer
kann sich vorstellen, daß der Heiland jemals in lautes, schal-
lendes Gelächter ausgebrochen sei ? Ob er wirklich gelacht hat,
wissen wir nicht einmal, wohl, daß er geweint hat; sicherlich
wird aber auch ein freundliches Lächeln oft sein Antlitz verklärt
haben. Sonst hätten sich die Kinder nicht so von ihm ange-
zogen gefühlt.
Es gibt auch ein schlechtes Lachen. Wenn einer lacht
über Religion und heilige Dinge, so ist dies Lachen gottlos.
Wenn einer lacht über die Not oder über die Gebrechen seiner
Mitmenschen, so ist dies Lachen grausam. Immer ist ein sol-
ches schlechtes Lachen sündhaft, das Zeichen eines schlechten
Charakters. Man sollte nicht einmal über eine Torheit lachen,
die ein anderer aufrichtig ernst nimmt; wer Zartgefühl hat,
wird es nicht übers Herz bringen. Nicht mit Unrecht pflegt
man zu sagen: Am Lachen erkennt man den Menschen, oder:
Sage mir, worüber du lachst, und ich will dir sagen, wer du
bist. Mit einem einzigen Lachen verrät der Mensch oft mehr,
als man durch jahrelange Beobachtung seines Lebens erfahren
kann. Ein einziges Lacken kann oft tiefer verwunden als das
härteste Wort.
Nicht immer ist das Lachen ein Zeichen der Freude. Es
gibt auch ein bitteres, ein höhnisches, ein zorniges Lachen.
Dann ist es nicht schön, nicht erquickend und befreiend, son-
dern wie ein Krampf, wie eine Grimasse, die unheimlich aus-
sieht. Es hat nur den Körper des Lachens, aber darin lebt
eine fremde Seele. Ja, man sagt, daß der Mensch auch
in großer Qual und Verzweiflung, wenn ihm die Tränen ver-
siegen, und wenn jeder Laut des Jammers verstummt, weil er
zu schwach ist, in ein grelles, entsetzliches Lachen ausbrechen
kann. So mögen die Verdammten lachen in der Hölle.
Wir wollen die schöne Gabe, die Gott uns zum Troste
und zur Erheiterung verliehen hat, nie mißbrauchen! Das