1911 -
: Crüwell
- Autor: Wolffgarten, Hilar, Herold, Heinrich, Stephan, Reinke, Herold, Theodor
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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die Ohnmacht des einzelnen einem endlosen Jammer gegen-
über. Aber sie ließ auch die Jünglingsseele die Macht der Ver-
brüderung ahnen, die da zusammen zur Linderung der Drang-
sale und des Elends schreitet. Er zeichnete die Schreckens-
szenen zunächst für den kleinen Kreis seiner Freunde auf und
übergab sie dann in zwei Büchern der Öffentlichkeit.
Das Wort dieses Augenzeugen wirkte gleich einem Ham-
mer, der Felsen bricht. „Die Menschlichkeit und die Gesittung
verlangen gebieterisch,“ ruft Dunant, „daß man einen Aufruf
erlasse, daß man eine Bitte richte an jedermann in allen Län-
dern, welchen Ranges, welcher Stellung er auch sei, an Männer
wie an Frauen, an die Prinzessin wie an die arme Witwe, an
alle, alle, welche noch ein Herz für den Nächsten haben, einen
Aufruf, daß sich in allen Ländern Europas Vereine zur Pflege
der Verwundeten bilden, eine Bitte, daß Hochstehende zusam-
mentreten, ein internationales Prinzip aufstellen und durch einen
Vertrag völkerrechtlich heiligen.“
Nachdem die geflügelten Worte Dunants die Runde durch
Europa gemacht, tagte infolge einer an alle Welt erlassenen
Einladung die erste internationale Konferenz zu Genf. Sie
beriet vier Tage ganz im Geiste Dunants, legte ihre Beschlüsse
in zehn Artikeln nieder und verabredete als gemeinschaftliches
Wahrzeichen für die zu bildenden Vereine und ihre Mann-
schaften die weiße Armbinde mit rotem Kreuze.
Bald war der Genfer Verein als Mittelpunkt sämtlicher
internationalen Vereine, die sich rasch gebildet hatten, aner-
kannt. Als der Schweizer Bundesrat im Juni 1864 die Ver-
treter sämtlicher Regierungen Europas zu einer Zusammenkunft
nach Genf einlud, da leisteten fast alle der Aufforderung Folge.
Man weihte nach längeren Beratungen das Rote Kreuz im
weißen Felde zum Wahr- und Schutzzeichen der Hilfstätten im
Kriege.
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Sieben Jahre später, und das Rote Kreuz erhebt sich
trostbringend auf den Schlachtfeldern Frankreichs. Ein rau-
hes, wildbewegtes Bild entfaltet sich vor unsern Blicken.
Es ist der Verbandplatz einer Armeedivision, 2000 Schritt hin-
ter der Schlachtlinie. Weiter soll er nicht davon entfernt sein,
um den Transport der zahllosen Verwundeten nicht allzusehr
zu erschweren, und dennoch erreichen ihn nicht alle, die aus
dem mörderischen Treffen dorthin gebracht werden. Einzelne
Kugeln, die sich verirren, oder die eine teuflische Bosheit dort-