1911 -
: Crüwell
- Autor: Wolffgarten, Hilar, Herold, Heinrich, Stephan, Reinke, Herold, Theodor
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Mädchen
492
erwies ihm Liebe wie einem Sohn. Vielleicht gedachte er daran,
daß er gleichfalls einst als armer Leute Kind aus einem hinter-
pommerschen Städtchen zu seiner Würde gelangt war.
Was Stephan nun zur Verbesserung des Verkehrs in seinem
Amte geleistet hat, das kam zuerst bei dem großen Kriege von 1866
recht an das Licht.
Es war am 17. Juli des Jahres 1866, da zogen die preußi-
schen Truppen mit klingendem Spiel in die alte Kaiserstadt Frank-
furt a. M. ein; denn der Krieg mit Österreich und dem Deutschen
Bunde war soeben entbrannt. Zugleich mit den Truppen aber hielt
auch der Geheime Postrat Stephan seinen Einzug. Der brachte
vom König eine Vollmacht mit, daß er die Thurn und Taxissche
Post, die in Frankfurt ihr Hauptquartier hatte und die ganzen um-
liegenden Länder beherrschte, sogleich in preußischen Dienst über-
nehmen sollte. Ehe man sich's versah, waren die Bücher mit Be-
schlag belegt und der ganze Betrieb in seinen Händen. Dann ging
er daran, die Höhe der Entschädigung aufzurechnen, die den bis-
herigen Besitzern auszuzahlen sei, und allmählich die ganze Ver-
waltung in das preußische Bett hinüberzuleiten. Das war wieder
ein richtiges Hexenstück, voll von Fußangeln und Kniffen, aber so
ganz, wie es in sein Fach schlug. Denn verwickelte Verhältnisse
zu ordnen, getrennte unter einen Hut zu bringen und neue Einrich-
tungen auf das beste zu schaffen, das verstand nicht einer wie
er. Dabei war er gegen jedermann rechtlich und freundlich und
schmierte zur richtiger: Stunde mit guten Witzen die knarrenden
Räder. Die alten Beamten versorgte er nach Kräften, so daß ihm
mancher lebenslang dankbar blieb. Und wenn auch andere öfters
noch seufzten, daß sie nun so arg pünktlich und preußisch sein muß-
ten, so ist doch das Ganze dabei nicht schlechter gefahren. Als am
letzten Junitag des Jahres 1867 um die Mitternachtsstunde die
alte deutsche Reichspvst zu Grabe ging und die norddeutsche in ihre
Erbschaft trat, da schied auch ein deutliches Abbild der alten deut-
schen Zwietracht und Ohnmacht dahin; und als gar noch in dem-
selben Jahr ein neues Gesetz erschien, wodurch für das Pvstgebiet
das Porto des einfachen Briefes auf einen einzigen Groschen ver-
mindert ward, da spürte man's auch in dem weltfernsten Walddors,
daß nun unser deutsches Volk dem Ziel seiner Einheit wieder ein
gutes Stück näher gerückt sei. Der aber am ineisten dazu getan
hatte, daß man es spürte, das war unser pommerscher Schneidersohn.
3. Feldpost und Weltpost.
Zu Ostern 1870 wurde Stephan zum Generalpostineister des
Norddeutschen Bundes erhoben. Nun stand der richtige Mann am