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1910 -
Dortmund
: Crüwell
- Autor: Herold, Heinrich, Wolffgarten, Hilar, Herold, Theodor, Reinke, Stephan
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Geschlecht (WdK): Jungen
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gerade die Sonntagsglocken entgegen, als wir in Straßburg
einziehen. Schon auf den ersten Blick treten uns Charakter-
züge entgegen, welche die widersprechenden Verhältnisse im
Bilde der Stadt kennzeichnen. Überall auf den meisten Häu-
sern begegnen uns französische Überschriften, aber auf allen
Bläßen und Straßen tönt uns deutsche Mundart entgegen.
Neben den meist echt deutschen Gesiditszügen der Bewohner
treffen wir hie und da ein Gesicht von unverkennbar franzö-
sischer Art, und zwischen die hübschen elsässischen Landes-
trachten, zwischen die bändergeschmückten Schmetterlingshäub-
chen der Bäuerinnen mischt sich häufig der Anzug nach Pariser
Schnitt bei den Herren und Damen der Stadt. Sobald wir da-
gegen in die Häuser eintreten, namentlich wo die geringere
Bevölkerung verkehrt, heimeln uns deutsche Sitten und deut-
sche Mundart an, aber die Spuren der früheren Franzosenzeit
sind doch noch immer deutlich zu finden.
Keiner, der Straßburg besucht, unterläßt es, den Riesen-
turm des Münsters zu besteigen. Zwischen den reich geglie-
derten Säulen und steinernen Zierarten des Turmes steigen
wir empor. Der schwindelnde Blick gleitet über das Dächer-
meer, über Gärten und Vorstädte hinweg zu dem aufblitzenden
Spiegel des Rheines und über einen großen Teil der Ober-
rheinischen Tiefebene bis zu dem fernen Rande des Schwarz-
waldes und der Vogesen.
Von Straßburg führt uns die Bahn nach Colmar und von
hier landeinwärts ins Gebirge. In der Ebene und an den
untersten Geländen des Berglandes werden die Reben an ho-
hen Pfählen emporgeleitet. So wetteifern sie mit dem Hopfen,
dessen ergiebige Plantagen hier allerwärts das Land bedecken.
Rings in den Weinbergen stehen zerstreut Pfirsichbäume, und
daneben liegen Äcker mit üppigem Tabak oder hoch und mastig
aufschießendem Mais.
Dunkle, hohe Wälder umziehen die Berge, über deren
grünem Mantel die höchsten Kämme unbeholzt hervorschauen.
Finstere Nadelwälder umschatten bald unsern Pfad, moosum-
sponnene Granitblöcke ragen über das Gestrüpp hinaus, und
lange Flechtenbärte hangen von allen Ästen. Bald erreichen
wir die Paßhöhe, die Wasserscheide zwischen Rhein und Mosel
und zugleich die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich.
Wider Erwarten war kein Zollwächter oder Gendarm hier wie
dort zu sehen, und ohne Prüfung des Passes gingen wir mehr-
fach hin- und herüber; aber draußen in den Wäldern begeg-
Lesebuch für Mittelschulen. Band 3 A. 19