1910 -
Dortmund
: Crüwell
- Autor: Herold, Heinrich, Wolffgarten, Hilar, Herold, Theodor, Reinke, Stephan
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Geschlecht (WdK): Jungen
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zweitens haben sie noch eine andere Unsitte, die dem Jägersmann
ganz besonders zuwider ist. Ein jeder Vogel hat sein bestimmtes
Revier, in dem er seinen ständigen Aufenthalt nimmt, und das er
allenfalls nur verläßt, wenn er ein Zug- oder Strichvogel ist, oder
wenn ihn ganz außerordentliche Ereignisse dazu zwingen. So ist
es auch beim Eichelhäher, und der Jäger gibt sich dann wohl der
stillen Hoffnung hin, das Ding werde doch schließlich einmal ein
Ende nehmen. Ja, aber erst, wenn der Wald ein Ende nimmt!
Wenn der eine aufgehört hat zu schreien, fängt der nächste wieder
an, und so übergibt jeder Eichelhäher den Jäger an der Grenze
seines Gebietes zur gefälligen Weiterbeförderung feinem Nachbarn,
bis der Jäger endlich den Waldesrand erreicht hat.
Herdelltiere stellen öfters Wachen ans, die Ausschau halten
müssen, während ihre Genossen lveiden. So heißt's in Schillers
„Wilhelm Tell" im ersten Aufzug:
„Das Tier hat auch Vernunft;
Das wissen wir, die wir die Gemsen jagen.
Sie stellen klug, wo sie zur Weide gehen,
Die Vorhut auf, die spitzt das Ohr und warnet
Mit Hellem Pfeifen, weiln der Jäger naht."
. Durch die gleiche Gewohnheit wird auch die Jagd auf Mur-
meltiere schwierig. Ein Mitglied der Gesellschaft sitzt auf eirlem
erhöhten Punkte und hält mit Auge, Ohr und Nase dreifach ge-
sicherte Wache. Sobald das Tierchen etwas Verdächtiges gewahr
wird, pfeift es hell, und im Nu ist die ganze Gesellschaft ver-
schwundell, als ob sie der Erdboden verschlungen hätte. Und das
hat er zudem auch tatsächlich getan; die Murmeltiere stürzen sich in
ihre Versenkungen und verschwinden in ihren uilterirdischell Schlupf-
winkeln.
Auch Tiere ganz verschiedener Arten vergesellschaften sich vor-
übergehend zu gegenseitigem Nutz und Frommen. So sind die
Strauße die Wächter der Zebras und werden gewissermaßen dafür
bezahlt, nicht durch Geld, sondern durch Gegenleistungen. Beide
Tiere bilden Trupps oder Herden und halten sich an denselben
Örtlichkeiten auf und mischen sich gern untereinander. Die Strauße,
die, wie viele Vögel, eifrige Jnsektenfreunde sind, zwar nicht aus
wissenschaftlichem Interesse, sondern des lieben Magens wegen,
werden durch die großen Dungkäfer angelockt, an denen Afrika so
reich ist. Die Dungkäfer nehmen aber an der Zebraherde ein
reges und sehr berechtigtes Interesse, auch der lieben Magenfrage
wegen. Die Zebras locken mit ihrem Mist die Küfer und diese