1910 -
Dortmund
: Crüwell
- Autor: Herold, Heinrich, Wolffgarten, Hilar, Herold, Theodor, Reinke, Stephan
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Geschlecht (WdK): Jungen
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man förmlich mit Spannung auf, wenn ein Wassertropfen vom
Gestein der Decke mit hohlem hellen Klang in eine Pfütze des
Bodens fällt. Man vernimmt die Schläge des eigenen Herzens
und die schnelleren Atemzüge der eigenen Brust. Hunderte, nein,
Tausende von Bergleuten sind hier und dort, weit zerstreut, in
icnserer Zeche und in den anstoßenden soeben bei der Arbeit. Sie
sprengen und brechen, sie hacken und schaufeln, sie werfen die
polternden Kohlenstücke in die Wagen und rollen diese fort; rast-
los sausen im Schachte die Förderkörbe aus und nieder. Aber
von all diesen Geräuschen dringt nichts bis zu unserm stillen
Platze, dessen Abgeschiedenheit uns zu sinnender Betrachtung über
die Entstehungsgeschichte der Steinkohle anregt. Unermessene Zeit-
räume ziehen da am geistigen Auge vorüber.
Unter der Zone der Flöze lagert in gewaltigen Massen der
Kohlenkalk. Er ist offenbar eine Bildung vorzeitlicher Meere und
reich an Einschlüssen und Abdrücken der ehemaligen tierischen und
pflanzlichen Organismen. Zwischen den einzelnen Flözen liegen
mächtige Schichten, die entweder aus Kohlenschiefer oder Sand-
stein bestehen. Ersterer hat die Überhand. Auch in ihm finden
sich die Spuren der Flora und Fauna jener fernen Erdperiode
in oft erstaunlicher Menge. Die Masse der Steinkohle selbst aber,
welche die Flöze bildet, besteht bekanntlich überhaupt nur aus den
verkohlten Resten untergegangener Pflanzengeschlechter. Aber wäh-
rend in den umgebenden Gesteinen die Abdrücke und Einschlüsse
meist von wunderbarer Klarheit und Deutlichkeit sind, so daß ihre
Bestimmung in der Mehrzahl der Fälle ein leichtes ist, kann in
der Steinkohle oft nur mit Hilfe des Vergrößerungsglases noch der
pflanzliche Bau dieser organischen Massen nachgewiesen werden
Zweifellos war es ein rein tropischer Pslanzenwuchs, der sich dazu-
mal über unsere Gegenden und vermutlich gleichzeitig über den
größten Teil der Erde ausbreitete. Die Mehrzahl der Gewächse
gehörte in jenen Zeiten den blütenlosen an. Hohe, wunderliche Baum-
gestalten aics der Familie der heute nur mehr krautartigen Schachtel-
halm- und Bärlappgewächse, eine Fülle von Farnkräutern, darunter
eine Menge von palmartigem Wuchs, daneben aber auch schon
wirkliche Palmen, Araukarien und andere Nadelhölzer besiedelten
in üppigen urwaldartigen Beständen das Land. Die höheren Blüten-
gewächse aus der Familie der Zweikeimblätterigen fehlten oder
waren selten; und auch die Tierwelt stand, nach allen Funden zu
schließen, aus einer sehr tiefen Stufe und setzte sich vorwiegend aus
Fischen, Reptilien, Amphibien, Insekten, Schal- und Weichtieren zu-
sammen. Mit Staunen betrachtet man in den Sammlungen die