1914 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Nückell, K., Porger, Gustav, Wolff, Karl
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Knabenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
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in wissenschaftlicher Form abgefaßte Abhandlung über das Telephon in
den Poggendorfschen Annalen keine Aufnahme fand, weil die Möglichkeit
einer elektrischen Lautübertragnng unglaubhaft sei. Schwer gekränkt iiber-
tieß er nun den Bau seiner Apparate dem Mechaniker Albert; Reklame
wurde für diese nicht gemacht, und es gibt eine große Zahl wissen-
schaftlicher Institute, die nicht einmal einen Modell-Apparat in ihrer
Sammlung haben. Die Mehrzahl ging nach dem Auslande, speziell
nach Amerika. Nun hörte man lange Zeit nichts mehr von der Telephone.
Dann kam 1876 die Nachricht von der großen amerikanischen Erfindung
des Bell-Telephons. In der Tat ist auch das Bellsche Telephon ein
Muster von Einfachheit, da Geber und Empfänger vollkommen gleich und
einfach gebaut sind, und die Bewunderung, die inan dem Apparat ent-
gegenbrachte, war wohlverdient.
Nun erinnerte man sich auch in Deutschland der interessanten Ver-
suche, die Reis in Frankfurt a. M. angestellt hatte. Der arme Schul-
meister durfte es nicht mehr erleben, er war zwei Jahre vorher gestorben.
Aber erst eine andere Nacherfindung aus dem Gebiete des Fernsprech-
wesens hat das Verdienst von Philipp Reis so recht hervortreten lassen.
Im Jahre 1878 hat Hughes in London das Mikrophon erfunden, durch
das man auch die leisestell Geräusche mit Hilfe des Telephons wahrnehmen
kann. Wollten wir alle die vielen Dutzende von Mikrophon-Konstruktionen,
die im Laufe der Jahre entstanden sind, zum Vergleich mit dem Reisschen
Sender heranziehen, so werden wir immer wieder die drei Hauptteile:
Menlbrane, Hammer und Amboß vorfinden, lind wir können deshalb
mit Recht sagen, daß Reis auch der Erfinder des Mikrophons ist.
Diese Tatsachen zwingen uns, dem Ausspruch des Engländers
Silvanus Thompson beizustimmen, daß Philipp Reis als der erste, ja
als der einzige Erfinder des elektrischen Telephons anerkannt werden
muß. Es war nicht eine zufällige Entdeckung, die ihm etwa ein glücklicher
Umstand vermittelte, auch nicht bloß ein interessantes wissenschaftliches
Experiment, es war vielmehr eine ganz zielbewußte Erfindung, voll Reis
selbst erkannt als ein Faktum von jener eminent wichtigen technischen und
wirtschaftlichen Bedeutung, die dasselbe erst später nach dem Bekanntwerden
der amerikanischen Nacherfindullgen und — wie man unumwunden zu-
gestehen muß — Vervollkommnungen wirklich erlangt hat. Diese aber
vermögen unsere Berechtigung nicht im geringsten zu schmälern, das
Telephon als eine deutsche Erfindung zu bezeichnen.