1914 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Nückell, K., Porger, Gustav, Wolff, Karl
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Knabenmittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
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was sie aber nicht mitzunehmen gedachten, wurde zerschlagen. Etliche
durchstachen Heu und Stroh mit ihren Degen, als ob sie nicht Schafe und
Schweine genug zu stechen gehabt hatten, etliche schütteten die Federn aus
den Betten und füllten dafür Speck, gedörrtes Fleisch und sonstiges Gerät
hinein, andere schlugen Öfen und Fenster ein, gleichsam als Hütten sie
einen ewigen Sommer zu verkündigen. Kupfer- und Zinngeschirr schlugen
sie zusammen und packten die gebogenen und verdorbenen Stücke ein.
Bettladen, Tische, Stühle und Banke verbrannten sie, da doch viele Klafter
dürres Holz im Hofe lagen. Häfen und Schüsseln mußten endlich alle
entzwei, entweder weil sie lieber Gebratenes aßen, oder weil sie bedacht
waren, nur eine einzige Mahlzeit allda zu halten.
Unsere Magd war dermaßen mißhandelt, daß sie nicht mehr gehen
konnte. Den Knecht legten sie gebunden auf die Erde, steckten ihm ein
Sperrholz in den Mund und schütteten ihm einen Kübel voll garstigen
Mistlachenwassers in den Leib. Das nannten sie einen schwedischen Trunk,
wodurch sie ihn zwangen, eine Partei anderwärts zu führen, allda sie
Menschen und Vieh hinwegnahmen und in unsern Hof brachten.
Darauf fing man an, die Steine von den Pistolen ab- und an deren
Statt der Bauern Daumen aufzuschrauben und die armen Schelme so zu
foltern, als wenn man hätte Hexen brennen wollen, wie sie denn auch
einen von den gefangenen Bauern bereits in den Backofen steckten und
mit Feuer hinter ihm her waren, ungeachtet er noch nichts bekannt hatte.
Einem andern machten sie ein Seil um den Kopf und reitelten es mit
einem Bengel zusammen, daß ihm das Blut zu Mund, Nase und Ohren
heraussprang. In Summa, es hatte jeder seine eigene Erfindung, die
Bauern zu peinigen, und also auch jeder Bauer seine besondere Marter.
Allein mein Vater war meinem damaligen Bedrucken rrach der glückseligste,
weil er mit lachendem Munde bekannte, was andere mit Schmerzen und
jämmerlicher Wehklage sagen mußten. Die Soldaten setzten ihn nämlich
ans Herdfeuer, banden ihn, daß er weder Hände noch Füße regen konnte,
und rieben seine Fußsohlen mit angefeuchtetem Salze, das ihm unsere alte
Geiß wieder ablecken und ihn dadurch also kitzeln mußte, daß er vor
Lachen hätte zerbersten mögen. Das klang so spaßhaft, daß ich, weil ich's
nicht besser verstand, von Herzen mitlachen mußte. In solchem Gelächter
bekannte er, was man von ihin verlangte, und öffnete den verborgenen
Schatz, der von Gold, Perlen und Kleinodien viel reicher war, als man
hinter Bauern hätte suchen mögen.
Mitten in diesem Elend wendete ich den Bratspieß und half nach-
mittags die Pferde tränken, durch welches Mittel ich zu unserer Magd in
den Stall kam, die jämmerlich aussah. Ich erkannte sie nicht, sie aber
sprach zu mir mit schwacher Stimme: „O Bube, lauf weg, sonst werden
dich die Reiter mitnehmen! Such, daß du davonkommst! Du siehst ja
wohl, wie übel es hier steht!" Daraus sank sie wie tot zurück.