1910 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Steger, August, Wohlrabe, Wilhelm
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Kreise hinausgetragen werden sollten. Was sie in Herford selbst genossen,
wessen sie sich jetzt als einer großen Wohltat bewußt war, das wollte sie
auch andern und zwar recht vielen zuteil werden lassen.
2. Vor allem war das Kloster zu Quedlinburg ihr lieb; hier hat
sie als Witwe die meisten ihrer Tage verbracht. War es doch diejenige
Stiftung, die sie noch mit ihrem Gemahl besprochen und beschlossen hatte;
war es doch der Ort, an dem die sterblichen Überreste ihres Gemahls
nach dessen letztwilliger Verordnung begraben lagen.
Auf lange Zeit hinaus hat diese Stiftung Mathildens, die von
ihr reich begabt wurde, und für die sie beständig liebevolle Sorge trug,
reichen Segen gestiftet. Wie dem Wunsche der Stifterin entsprechend die
Pflege der Wissenschaften zu Quedlinburg geübt worden ist, dafür legt
der Ruhm Zeugnis ab, den dieses Kloster namentlich unter der Leitung
der Äbtissin Mathilde, der Enkeltochter der Stifterin, genoß. Manch edles
Fräulein war damals zu Quedlinburg erzogen, und nicht selten war es,
daß selbst Knaben den Nonnen zum ersten Unterrichte anvertraut wurden.
3. Nicht minder trug die königliche Witwe Sorge dafür, daß auch
in den übrigen von ihr gestifteten und reich begabten Klöstern wissen-
schaftlicher Geist streng erhalten blieb. Wenn sie im Kloster zu Nord-
hausen einkehrte, so war ihr erster Gang nach der Klosterschule, wo sie
sich selbst überzeugen wollte von den Fortschritten, welche die Schüle-
rinnen gemacht hatten. Hier waltete als Äbtissin ihre frühere treue Dienerin
Nichburga, von der erzählt wird, daß sie die Königin auf ihren Reisen
begleiten und ihr aus dem Psalter oder einem andern geistlichen Buche
vorlesen mußte. Auch hatte Nichburga auf solchen Reisen die Verpflichtung,
armen Wandrern, an denen man vorüberkam, ein Geschenk zu reichen. Hatte
aber der Schlaf sich auf Richburgas Augen gesenkt, oder hatte sie, ins
Lesen vertieft, einen Wandrer unbeschenkt vorübergehen lassen, so ließ die
Königin, wenn sie es bemerkte, den Wagen anhalten, rief den Armen
heran und beschenkte ihn.
4. Die reichen Geschenke, welche die königliche Witwe Kirchen und
Klöstern, vor allem ihren eignen Stiftungen, nicht minder aber auch allen,
die ihr sich bittend nahten, zufließen ließ, erregten endlich den Unmut
ihrer Söhne Otto und Heinrich. Diese meinten, selbst die reichen Einkünfte
ihres Wittums dürften bei solcher Freigebigkeit nicht lange ausreichen.
Za, es wird sogar erzählt, man habe die Königin in Verdacht gehabt,
daß sie königliches Gut heimlich an sich behalten habe, und König Otto
habe daher solches Gut zurückgefordert und ihren Boten auf den Gängen
zu den Armen auflauern lassen. Tief gekränkt zog sich die Mutter nach ihrer
Heimat Westfalen zurück, lebte dort im Kreise ihrer Verwandten auch
ferner den Werken des Wohltuns und ließ ihre Fürsorge und Hilfe nament-
lich dem Kloster Engern zuteil werden.