1910 -
Halle a.S.
: Schroedel
- Autor: Steger, August, Wohlrabe, Wilhelm
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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chen sich regen, und es ist ein wunderbares Schauspiel, wenn im stärkeren
Wind die majestätischen Wedel schwanken, wenn die übergeneigte Spitze
sich hebt und sich langsam nach einer andern Richtung wendet. Diese Be-
weglichkeit aller Teile der lichten Riont vereint sich mit der großen Bieg-
samkeit des schlanken Stammes zum Abwenden der Gefahr, welche vom
Wüstenwind den Bäumen droht. Die Kokospalme ist auch im Boden gut
verankert. Nicht sehr dicke, aber äußerst zugfeste, einfache Wurzeln dringen
von ihrem Fuße aus nach allen Seiten in den Boden ein, um sich in
dessen Innern zu verzweigen und so dem Baume einen starken Halt zu ver-
schaffen. Zwischen den Blättern hängen die langen, verzweigten Kolben
herab, in denen sich aus unscheinbaren Blüten die Kokosnüsse entwickeln.
Diese Früchte passen ausgezeichnet zu der Vorliebe des Kokosbaumes
für küstennahe Standorte. Ihre faserige Außenschicht, dieselbe, welche
den Rohstoff für die Kokosmatten und andres Flechtwerk bildet, dient als
Schwimmkissen, auf dem die Frucht sich von Insel zu Insel treiben läßt.
Öfter freilich wird jetzt wohl die Kokospalme von Menschen gepflanzt.
Sie ist ein Baum, der an vielseitiger Nutzbarkeit unsre einheimischen Bäume
weit übertrifft. Nicht nur liefert er eingeborenen Bewohnern der Tropen
Holz, die Blätter dienen ihnen zum Dachdecken und ähnlich den Fruchtfasern
zur Herstellung von Flechtarbeiten. Der Stumpf eines abgeschnittenen
Blütenstandes läßt gleich der Birke Saft ausfließen, aus dem Palmwein
gewonnen wird. Die harte Innenschale der Frucht liefert Geschirre, das
weiße, fettreiche Gewebe des Samens eine nußartige Speise, vor allem aber
die Kopra, die als Rohstoff für die Bereitung eines Fettes zur Seifen-
und Kerzenfabrikation in großen Massen nach Europa gebracht und aus-
gepreßt noch als Viehfutter von dem Landwirt benutzt wird. Allein Samoa
hat im Jahre 1905 für beinahe zwei Millionen Mark Kopra ausgeführt.
In dem Fettgewebe des Samens eingebettet liegt der kleine Keimling, der
beim Heranwachsen sich zuerst von dessen Bestandteilen und von der süß-
lichen, trüben Kokosmilch ernährt, welche das Innerste der Frucht erfüllt
und als stets gesundes Getränk den Tropenwanderer erquickt. Kaum minder
wichtig für uns als die Kokospalme ist die Olpalme, die, in den west-
afrikanischen Wäldern heimisch, jetzt fast in dem ganzen dortigen Tropen-
gebiete kultiviert wird. Sie ist eins der wertvollsten Handelsgewächse
Afrikas überhaupt, und Kenner rechnen ihre möglichste Ausbreitung durch
Kultur zu den wichtigsten Aufgaben der afrikanischen Landwirtschaft. Auch
sie besitzt Fiederblätter, die als ein riesiger Strauß auf dem nicht sehr
hohen Stamme sitzen. Sie werden sechs bis sieben Meter lang und hinter-
lassen beim Abfallen wulstige Reste, zwischen denen sich oft Farne und andre
Wohnparasiten ansiedeln, so daß der Stamm zu einem kleinen Tropengarten
wird. Die etwa walnußgroßen Früchte sitzen zu Hunderten, dicht zusammen-
gedrängt, an weit über kopfgroßen, dicken Kolben. Ihr saftiges Fleisch